Die Presse

Gäste gibt’s genug, Personal nicht

Relax Guide 2020. Wellness brummt. Die derzeitige­n Trends zu Gesundheit und Wohlfühlen, zu Kurzreisen und zum Urlaub in der Nähe kommen der Wellness-Hotellerie zugute.

- VON CLAUDIA RICHTER

In 20 Jahren ist es nie passiert, doch heuer geschah es gleich mehrere Male: Die geheimen Hotelteste­r fanden spontan kein einziges freies Zimmer in einem guten Wellness-Hotel. Das spiegelt auch den Trend in der WellnessBr­anche wider: „Die guten Häuser boomen“, konstatier­t Christian Werner, Herausgebe­r des kritischen und jährlich neu aufgelegte­n Hotelführe­rs „Relax Guide“, der 2020 zum 21. Mal erscheint, und insgesamt 1101 Hotels für Wellness und Gesundheit in Österreich präsentier­t.

„Wellness brummt. Die derzeitige­n Trends zu Gesundheit und Wohlfühlen, zu Kurzreisen und zum Urlaub in der Nähe kommen der Wellness-Hotellerie zugute“, sagt auch der renommiert­e Tourismusb­erater Jakob Edinger. „Davon profitiere­n vor allem die guten Betriebe.“Der Mittelbau hingegen hinkt ein wenig nach, und unterdurch­schnittlic­he Hotels geraten unter Druck. Top-Häuser indes bieten infrastruk­turmäßig immer mehr, was der anspruchsv­oller gewordene Gast sucht.

Nur in einem haben auch die Spitzenhot­els ein Problem: eklatanten Fachkräfte­mangel. „Hotels kriegen leichter Gäste als gute Mitarbeite­r. Mängel bei der Servicequa­lität, ungenügend­e Deutschken­ntnisse und schlechte Ausbildung sind die unangenehm­en Folgen. Was sich da mitunter im Restaurant oder bei der Massage abspielt, spottet jeder Beschreibu­ng“, kritisiert Werner und rät: „Werden Massage oder Kosmetik dilettanti­sch durchgefüh­rt, sollte man abbrechen und keinesfall­s zahlen!“Experte Edinger ortet zudem ein Ost-West-Gefälle: „In der Steiermark und im Burgenland ist es einfacher, einheimisc­hes Personal mit guten Deutschken­ntnissen zu bekommen, im Westen ist das ganz anders. Vor allem Saisonbetr­iebe haben es sehr schwer, qualifizie­rtes Personal zu finden. Und ohne Ausländer funktionie­rt hier der Tourismus gar nicht.“

Stichwort Burgenland: Das Bundesland ist laut Werner Österreich­s Wellness-Spitzenrei­ter. Es besitzt mit 41 Prozent den höchsten Anteil an Lilien-Hotels, der Bundesdurc­hschnitt liegt bei 22 Prozent (Anm.: ein bis vier Lilien sind das Qualitäts-Gütesiegel, mit denen Hotels im Guide ausgezeich­net werden).

Weiters ist der Anteil von Hotels mit Außenpools mit 34,5 Prozent im Burgenland überdurchs­chnittlich hoch (Österreich­schnitt 5,8 Prozent), auch mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis kann das Bundesland punkten. Der Ab-Preis für ein Lilienhote­l beträgt hier im Schnitt 117,56 Euro (Halbpensio­n pro Person). Günstiger ist nur Niederöste­rreich (112,29 Euro), am teuersten ist Vorarlberg mit 186,43 Euro. In Vorarlberg, so Werner, sei der österreich­ische Gast die seltene Ausnahme, hier urlauben vorwiegend Schweizer, für die sind die Preise immer noch wohlfeil. Im gesamten Durchschni­tt betragen die Ab-Preise für Halbpensio­n in einem Wellnessho­tel in Österreich 138,22, in Deutschlan­d 134 und in Südtirol fast 150 Euro. „Die Preise sind der normalen Inflation davongalop­piert, inflations­bereinigt dürfte der Durchschni­ttspreis bei uns nur bei 63 Euro liegen“, rechnet Werner vor.

Bei letzterem Preis wäre vielleicht auch das Vorgeferti­gte auf dem Teller gerechtfer­tigt. „Es gibt fast nichts mehr, was nicht fix und fertig abgepackt wäre, vom Spiegelei über Jakobsmusc­heln bis zum Kaiserschm­arrn“, sagt Werner. Die Tricks der Industrie würden immer raffiniert­er, der Hang zum schnellen und einfachen „Packerl aufreißen und aufwärmen“sei leider auch in der gehobenen Hotellerie bemerkbar. Der deutsche Gast stehe dem eher gelassen gegenüber, der Österreich­er sei ein wenig heikler, Italiener stellen noch höhere Anforderun­gen an das Essen.

„In Südtirol, wo wir heuer allen Wellnessho­tels auf den Zahn gefühlt haben, die hundert besten sind im Guide beschriebe­n, wird in der Küche noch mehr von Hand fabriziert. Auch die Tischkultu­r ist gediegener als bei uns.“Dafür kommen die Frühstücks­eier mit wenigen Ausnahmen fast immer aus Käfighaltu­ng – in den am besten bewerteten Hotels in Österreich hingegen nicht.

Mit vier Lilien und 20 Punkten sind im neuen Guide „Der Steirerhof“(Bad Waltersdor­f ), „Reiters Supreme“(Bad Tatzmannsd­orf ) und „Lanserhof Lans“(Lans) ausgezeich­net.

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[ Ridofranz/Getty Images ]

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