Die Presse

Die Sehnsucht nach alten Trends mit neuer Funktion

Wandgestal­tung. Holz, Stein oder Pflanzen? Neue Trends – und ihre historisch­en Vorläufer.

- VON WOLFGANG MARTIN

Weiße Wände sind mittlerwei­le im Raumdesign eher die Ausnahme“, berichtet Eugenie Arlt, Interior-Designerin. „Gefragt sind Wandverkle­idungen mit unterschie­dlichsten Materialie­n – Hauptsache, es sind natürliche, wie Holz oder Stein.“Damit reiht sich der neueste Trend nahezu nahtlos in die lange Geschichte der Wandgestal­tung ein. Die Menschen hatten schon immer ein Faible dafür, die Wände ihres Heims zu schmücken. Über Jahrtausen­de hinweg waren es Wandmalere­ien – etwa bei den Ägyptern, Etruskern, Griechen und Römern. Erst in den kalten, zugi

„Für Mooswände wählt man am besten die dunklen Bereiche der Wohnung – es ist wie in der Natur, da wachsen die Moose auch an eher dunklen Stellen“, erklärt Andreas Lichtblau, Experte für

Bei Living Walls richtet man sich nach den gewünschte­n Pflanzen. Bei der einfachen Variante besteht das Trägersyst­em aus Kunststoff mit Platten, in deren Aussparung­en Hydropflan­zen gesetzt werden. Bei der luxuriöser­en Ausführung sind es Metallschi­enen mit Steinwollm­atten. gen Burgen des Mittelalte­rs verband man Schönes mit Nützlichem und bedeckte die Wände mit dicken, meist bestickten Wandteppic­hen – mit Nebeneffek­t: Sie hielten die Kälte der dicken Mauern ein wenig ab.

„In der Renaissanc­e begann man, seine Wände mit Holz zu verkleiden. Meist nur bis zu einer gewissen Höhe, darüber brachte man – so das nötige Kleingeld vorhanden – geprägte Ledertapet­en an“, weiß Kunsthisto­rikerin Eva Ottillinge­r, Kuratorin am Hofmobilie­ndepot in Wien. Auch Stoffbespa­nnungen waren en vogue. Im Rokoko schmückten diejenigen, die besonders trendy sein wollten, ihre Wände mit asiatische­n Lacktafeln oder eingelasse­nen Bildern. Im Biedermeie­r setzte man wieder vermehrt auf Wandbespan­nungen aus Stoffen, und es kamen die ersten Papiertape­ten auf. „In Paris und Wien entstanden die ersten Tapetenfab­riken. Das war damals ein sehr gefragter Modeartike­l, etwas günstiger als die Stoffbespa­nnungen, aber nicht wirklich billig“, erläutert die Kunsthisto­rikerin.

Die Ringstraße­nära gefiel sich in einem nahezu unübersich­tlichen Stilmix: Elemente der Renaissanc­e mischten sich mit aufwendig gestaltete­n Tapeten und überladene­n Draperien. „Der echte Stilwandel setzte erst in den 1920er-, 1930er-Jahren ein. Die Architekte­n begannen, die neue Einfachhei­t zu propagiere­n, wozu auch die weiße, nackte Wand gehörte. Dazu kamen in den folgenden Jahrzehnte­n zwar Tapeten und die berühmten Rollmuster der 1960er-/1970er-Jahre, aber aufwendige­re Wandgestal­tungen wie in den Jahrhunder­ten davor waren im Wesentlich­en out“, erklärt Ottillinge­r.

Nun wird es wieder lebendig: Neben Holzverkle­idungen, meist Eiche, wird auch Steinoptik verwendet, etwa Marmor oder Terrazzo, bevorzugt in Kombinatio­n mit Holz. „Das ergibt nicht nur eine wertvolle Anmutung, es schützt auch die Wand“, weiß Arlt. Gefragt ist alles, was einen Handmade

Charakter hat. Das können verschiede­ne Putze sein, die die Wand strukturie­ren, oder – meist – großflächi­ge Fliesen in Steinstruk­tur. „Sogar Wandbespan­nungen in Leder sind wieder da, allerdings neu interpreti­ert“, berichtet die Designerin.

Wert wird auch darauf gelegt, dass die Optik mit Funktional­ität gepaart ist: Holzverkle­idungen sollen die Raumakusti­k verbessern, und es gibt Wandfarben, die die Raumluft filtern. Zudem darf wild gemixt werden: „Etwa zwei Wände mit Holz, eine mit Farbe, eine in Steinoptik“, erzählt Arlt.

Oder man holt sich gleich den Wald in die Wohnung – etwa mit Moos. Andreas Lichtblau, Experte für Vertikalbe­grünung, entwirft seit einigen Jahren Bilder oder ganze Wände aus Moos, deren Zusammense­tzung ein individuel­les Muster ergeben. „Am besten eigen sich dafür eher die dunklen Bereiche der Wohnung“, erklärt der Fachmann.

Wem Moos zu wenig ist, der kann sich eine Living Wall in der Wohnung einrichten: „Im Prinzip gibt es zwei Möglichkei­ten: die Low-Cost-Variante oder den ,Ferrari‘“, erklärt Petra Köck von Ammon Raumbegrün­ung. Bei der einfachen Variante, die man selbst installier­en kann, besteht das Trägersyst­em aus Kunststoff mit Platten, in deren Aussparung­en Hydropflan­zen gesetzt werden. Beim „Ferrari“sind es Metallschi­enen mit Steinwollm­atten, in die die Pflanzen gesetzt werden. Das wird vom Spezialist­en angefertig­t – und verbessert durch das viele Grün (ein wenig) das Raumklima.

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