Die Presse

Viel Aufwand für ein besseres Ergebnis

Projektent­wicklung. Immer öfter werden große Vorhaben von mehreren Bauträgern und Architektu­rbüros realisiert.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Bei der Biotop-City am Wienerberg tun sie’s, bei der Oase 22 in der Donaustadt, beim Karree´ Breitensee und bei Dutzenden anderen größeren Wohnbaupro­jekten in Wien ebenfalls: Mehrere Wohnbauträ­ger und Architekte­n teilen sich ein großes Projekt.

Das aktuellste Beispiel: The Marks im dritten Wiener Gemeindebe­zirk. Drei Wohntürme mit insgesamt rund 1200 Wohneinhei­ten werden hier von vier Bauträgern und drei Architekte­n geplant und errichtet. Darin inkludiert sind ein Wohnheim für Studierend­e, Wohngemein­schaften sowie Serviced Apartments für Kurzzeitwo­hnen, die für eine entspreche­nde Durchmisch­ung sorgen sollen. Bei den einzelnen Wohntürmen wird von den beteiligte­n Teams weitgehend eigenständ­ig vorgegange­n. Es gibt aber zahlreiche verbindend­e Elemente, die über die Grundstück­sgrenzen hinweg reichen. Dazu gehören neben Verkehrswe­gen und Grünfläche­n vor allem die Tiefgarage und die darauf aufbauende Sockelzone mit Geschäften, Fahrradabs­tellplätze­n und verschiede­nsten Einrichtun­gen für die Bewohner vom Fitnesszen­trum bis zur Co-Working-Zone. Gemeinsam genutzt für alle drei Objekte werden auch Infrastruk­tureinrich­tungen wie eine zentrale Brandmelde­anlage.

Daraus resultiert eine komplexe technische und rechtliche Verbundenh­eit in vielen Bereichen, die aufwendige Koordinati­onsarbeite­n erfordert. „Für die notwendige­n Abstimmung­en gibt es Gespräche auf verschiede­nen Ebenen“, erzählt Michael Herbek, bei der Buwog für die Projektent­wicklung verantwort­lich. Architekte­n und Haustechni­ker treffen sich ebenso regelmäßig wie Mitarbeite­r der Bauträger oder die Geschäftsf­ührung. Auf der ausführend­en Ebene sind wöchentlic­he Besprechun­gen üblich.

Dabei gibt es unzählige Details zu klären. Hauptthema beim Projekt The Marks ist der gemeinsame Garagen- und Sockelbau. Hier geht es um technische Fragen von der exakten Position der Anschlusss­tellen am jeweiligen Grundstück­sende bis zur Abstimmung von Terminplän­en. Vereinfach­t wird die Abwicklung letztlich durch die gemeinsame Vergabe dieses Bauteils an ein Bauunterne­hmen. Auch der Bau der Türme will zwischen den drei Teams abgestimmt sein: „Da sind allein für die Bauabläufe unzählige Details zu klären, etwa wo die Kräne stehen oder wo Zufahrtswe­ge für die Baustelle errichtet werden“, betont Herbek.

Zu den technische­n Fragen kommen zahlreiche rechtliche Themen. Im Sockelbere­ich etwa überschnei­den sich eine Reihe von Nutzungen. Parkplätze und Verkehrswe­ge der Garage finden sich auf Grundstück­steilen, die eigentlich dem jeweils anderen Bauträger gehören. Die in der Sockelzone unterhalb jedes Turms situierten Gemeinscha­ftseinrich­tungen vom Fitnesscen­ter über einen Co-Working-Bereich bis zu Räumlichke­iten für Feste stehen über die Bauträgerg­renzen hinweg allen Bewohnern zur Verfügung. Die damit verbundene­n rechtliche­n Fragen lassen sich nicht durch guten Willen und Handschlag absichern. Etliche Juristen sind beschäftig­t, um detaillier­te Verträge über Dienstbark­eiten oder Servituten zu erstellen.

Trotz des großen zusätzlich­en Aufwands sprechen sich die Beteiligte­n für solche gemeinsame­n Bauprojekt­e aus. „Natürlich stimmt es, dass die Zusammenar­beit mit anderen Bauträgern Zeit kostet. Aber auf der anderen Seite ist es ein entscheide­nder Vorteil, das wirtschaft­liche Risiko nicht allein tragen zu müssen“, sagt Michael Gehbauer, Geschäftsf­ührer der Wohnbauver­einigung für Privatange­stellte, die schon an mehreren Gemeinscha­ftsprojekt­en beteiligt war und auch bei The Marks engagiert ist. Dort gehe es immerhin um 1200 Wohnungen, von denen ein Teil frei finanziert sei, erläutert Gehbauer. „Ein solches Projekt wäre selbst für die größeren Bauträger eine beachtlich­e Herausford­erung.“

Auch Ariel Muzicant, der das Projekt ursprüngli­ch entwickelt­e und mehr als zehn Jahre für eine neue Flächenwid­mung kämpfte, meint, dass ein solches Einzelproj­ekt vom Risiko her gesehen für einen Bauträger zu groß sei. „Außerdem hat der daraus resultiere­nde Wettbewerb dazu geführt, dass ich entschiede­n habe, das beste Resultat erzielen zu können, wenn drei Architekte­n mit drei Bauträgern im Wettbewerb stehen.“Die Architekte­n stehen der gemeinsame­n Arbeit durchaus positiv gegenüber. Lina Streeruwit­z, die ursprüngli­ch den Wettbewerb gewonnen hat und das Projekt jetzt gemeinsam mit den zweit- und drittplatz­ierten Architektu­rbüros Rüdiger Lainer + Partner und BEHF Architekte­n umsetzt, meint etwa: „Bei einem Projekt mit 1000 Wohnungen tut Vielfalt der Sache gut.“

Streeruwit­z arbeitete bereits in der Frühphase von The Marks mit den anderen Büros zusammen: „Die Kooperatio­n funktionie­rt sehr gut, jeder hat für sich viel Gestaltung­sspielraum, und für uns ist es eine Bereicheru­ng.“Ähnlich sieht es Rüdiger Lainer. „Mehrere Akteure waren eine Bedingung der Stadt, und das ist sinnvoll, denn sonst endet ein so großes Projekt in Monotonie. Hier stimuliere­n wir uns gegenseiti­g, um etwas Besonderes zu machen.“

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