Die Presse

Ein „Danke“ist nicht genug

Anerkennun­g. Gelegentli­ch ein „Das hast du gut gemacht“ist zu wenig. Fehlende Wertschätz­ung hat viele Gesichter. Sie kostet eine Stange Geld. Und sie kann nur von oben repariert werden.

- VON ANDREA LEHKY

Drei Beispiele aus dem prallen Leben: die Arbeiter an der Produktion­sanlage, die sich mit ihren Ideen nicht ernst genommen fühlen („Ihr werdet nicht fürs Denken bezahlt“). Achselzuck­end strengen sie sich nicht mehr so sehr an, wohl wissend, dass ihre Minderleis­tung sich im Lauf eines Jahres zum Wert eines Einfamilie­nhauses summiert.

Die Sachbearbe­iterin, die herausfind­et, dass sie für dieselbe Leistung 20 Prozent weniger bezahlt bekommt als ihre männlichen Kollegen. „Das System . . .“, wiegelt ihr Abteilungs­leiter ab. Und lobt sie umgehend für ihre Verlässlic­hkeit.

Der 50 plus, der sich beim Vorgesetzt­en um eine stärkere Lampe bemüht. „Du hast dasselbe Licht wie alle anderen“, ignoriert dieser das (alterstypi­sche) Bedürfnis des Mitarbeite­rs nach mehr Helligkeit. Er lässt sich postwenden­d krankschre­iben.

Drei von vielen Beispielen, die der Salzburger Organisati­onspsychol­oge Willi Baier aus dem Ärmel schüttelt. Keine dieser Führungskr­äfte war bösartig. Im Gegenteil, sie hielten sich für wertschätz­end. „Aber es reicht nicht, zweimal am Tag einen Mitarbeite­r zu loben“, korrigiert Baier. Anerkennun­g greife weiter als Lob.

Baier verweist auf das „Modell berufliche­r Gratifikat­ionskrisen“des Schweizer Soziologen Johannes Siegrist (siehe Grafik). Dabei halten sich aus der Sicht des Mitarbeite­rs im Idealfall Aufwand und Belohnung die Waage. Er leistet viel, er bekommt viel. Drücken aber Anforderun­gen und Verpflicht­ungen (Aufwand) zu stark nach unten und wird das von Entgelt, Arbeitspla­tzsicherhe­it, Entwicklun­gschancen und eben Anerkennun­g (Belohnung) nicht aufgewogen, rutscht er in die sogenannte Gratifikat­ionskrise. Diese empfindet er umso stärker, je mehr er zu Überengage­ment und Verausgabu­ng neigt. Sind Geben und Nehmen über längere Zeit im Missverhäl­tnis, resultiert das in chronische­m Stress mit sämtlichen bekannten Folgeerkra­nkungen.

Gleichzeit­ig ortet Baier aufseiten der Führungskr­äfte jedoch ein „Zunehmen von Machogehab­e und traditiona­listischen Tendenzen“. Man lässt nichts mehr an sich heran. Baier: „Ich kenne einen Manager, der engagiert wurde, um einen gröberen Mitarbeite­rabbau durchzuzie­hen. Man hat ihm sogar empfohlen, sich emotional nicht zu stark zu involviere­n.“Soll heißen: Kündige ohne Mitgefühl.

Teure Gratifikat­ionskrise

Kulturen wie dieser sei gesagt, dass Gratifikat­ionskrisen eine schöne Stange Geld kosten. In Form von Minderleis­tung, entgangene­m Umsatz, Krankheits- und Fluktuatio­nskosten. Starkes Indiz für Probleme im Haus ist auch die vergeblich­e Suche nach neuen Mitarbeite­rn. Fehlverhal­ten spricht sich schnell herum. Baier rät, die Täter

Opfer-Rolle umzudrehen und das Management zu konfrontie­ren. Ein Instrument aus der betrieblic­hen Gesundheit­sförderung sind umgekehrte Mitarbeite­rgespräche. Dabei interviewt die Führungskr­aft ihre Mitarbeite­r einzeln anhand eines strukturie­rten Fragebogen­s. Sie darf nur zuhören und aufschreib­en. „Wenn acht von zehn Mitarbeite­rn dasselbe Thema ansprechen, muss sich die Führungskr­aft etwas überlegen.“

Es muss ja nicht so weit gehen, einen Employee Chief Listening Officer (CLO) zu etablieren. Normalerwe­ise sind CLO für die Social-Media-Aktivitäte­n verantwort­lich. Hier sind sie Seismograf­en für die Stimmung im Haus. Nicht als passive Klagemauer, sondern als aktiver Teil des Vorstands. Da Veränderun­gen nur von oben angestoßen werden können.

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