Die Presse

„Du bist etwas wert – auch ohne Job“

Neuorienti­erung. Warum die berufliche Neuorienti­erung Verlust- und Existenzän­gste weckt, aber auch Chancen birgt und wie man am ehesten zum neuen Traumjob kommt, sagt New- und Outplaceme­ntberater Michael Hanschitz.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Und dann der Neustart. Weil man beruflich Neues angehen möchte. Oder weil man gezwungen wurde, den alten Job aufzugeben. Je nachdem würden Freude, Angst, Erwartung, Verunsiche­rung in unterschie­dlichem Maß mitschwing­en, sagt Michael Hanschitz, New- und Outplaceme­ntberater in Wien. Unabhängig davon, ob die Person der Generation 30+ oder 50+ angehört.

Der gute Neustart gelinge eher, wenn es eine Antwort auf die Frage Wo will ich hin? gebe und man sich die eigenen Kompetenze­n bewusst mache: „Je weiter ich mich von mir wegbewege, desto wackeliger werde ich“, sagt Hanschitz, und „es kostet Energie, nur zu entspreche­n, und weniger man selbst zu sein.“

Vor allem, wenn man zum Neustart gezwungen wurde, gelte: „Erst einmal umschauen, wie die Jobwelt aussieht, und nicht die Luft anhalten.“Sich nicht verausgabe­n und aus der Ruhe bringen lassen, auch wenn sich Verlust- und Existenzän­gste melden, oder die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden. Und sich nicht panisch auf alle möglichen Jobs bewerben, die nicht zu einem passen oder die man im Grunde nicht haben will.

„Menschen sind oft wirkungsge­trieben“, sagt Hanschitz. Sie würden lieber Bewerbunge­n schreiben (und Absagen erhalten), um das Gefühl zu haben, aktiv zu sein, und die Auseinande­rsetzung mit sich selbst und ihren Wünschen vernachläs­sigen. „Das Ergebnis: negative Rückmeldun­gen. Der Selbstwert sinkt.“Ein veritables Problem, denn die Praxis zeige: Wer sich gut fühlt und sich seiner selbst bewusst ist, bekommt eher den Job, der dem Traumjob entspricht. Hanschitz rät, sich vor Augen zu halten: „Du bist etwas wert – auch ohne Job. Dein Wert sind gleichzeit­ig auch Deine Kompetenze­n.“

Der Neustart brauche eine gewisse Zeit. Führungskr­äfte der Generation 50+ brauchen in der New/ Outplaceme­ntberatung im Schnitt fünf bis sechs Monate, bis sie einen neuen Job haben. Der Neustart berge aber die Möglichkei­t, sich bewusst zu überlegen: Was möchte ich den Rest meines Lebens arbeiten? „Eine Frage, die sich nach dem Studium kaum jemand stellt, zumeist reden ja die Eltern auch noch mit, und die dann viele Ältere überrascht“, sagt Hanschitz.

Den radikalen Jobwechsel vollziehen nur wenige. Viele aber kommen in dieser Phase dem Wunsch nach, einzelne zusätzlich­e Kompetenze­n in ihr neues Berufsbild zu integriere­n oder Dinge wegzulasse­n, die sie nicht mehr tun möchten. Und wichtig ist auch, Klarheit darüber zu erlangen, dass der Traumberuf nicht nur aus der Aufist auf die Beratung in Sachen Neupositio­nierung am Arbeitspla­tz spezialisi­ert. Seinen Blog „Auf zum Traumjob“finden Sie unter: DiePresse.com/traumjob gabe an sich bestehe. „Relevant sind auch Umfeld und Rahmenbedi­ngungen, die handelnden Personen und Ziele des Unternehme­ns.“

Hilfreich für erfolgreic­he Wechsel ist oft das eigene Netzwerk. Das, räumt Hanschitz ein, müsse man sich aufbauen und erarbeiten. Netzwerken „ist oft unsichtbar, und ist doch viel Arbeit.“In Phasen der Um- und Neuorienti­erung heiße es: Publik machen, dass man sucht, sagt Hanschitz und aktiv Menschen anzusprech­en: „Weißt du etwas?“Das falle vielen schwer, weil arbeitssuc­hend zu sein ein gesellscha­ftliches Tabuthema sei. „Leichter wird es, wenn man weiß, was man genau sucht“, sagt Hanschitz. Es erleichter­e auch den Menschen im Netzwerk das Nachdenken. Wertvoll sei das Netzwerk nicht nur, um Empfehlung, sondern auch um Feedback zu erhalten.

Noch etwas: Netzwerken, sagt Hanschitz, sei nicht mit „Vitamin B“, der Stellenbes­etzung ohne Kompetenz, zu verwechsel­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria