„Es geht mir um leise Zwischenrufe“
Martin Selmayr. Der Leiter der heimischen Vertretung der EU-Kommission kritisiert die gekürzte Familienbeihilfe für Osteuropäer und sieht Nationalisten gescheitert.
Wien ist eine persönliche Entscheidung gewesen. Vor allem, weil ich einen jahrzehntelangen Bezug zu Österreich habe. Ich hatte einen österreichischen Doktorvater, bei dem ich Europarecht studiert habe. Ich habe den Beitritt Österreichs aus dieser Perspektive miterlebt. Ich bin in Österreich wissenschaftlich sozialisiert worden. Das ist für mich ein logischer Schritt.
Nein, die EU ist stabiler denn je zuvor. Die Versuche der Nationalisten, das gemeinsame Haus Europa in Folge des Brexit in Schutt und Asche zu legen, sind Gott sei Dank fehlgeschlagen. An den Herausforderungen des Brexit ist die Union sogar gewachsen. Nationalismus hat die EU immer schon erlebt. Wir brauchen deshalb keine
Regierungsprogramme, auf denen außen die Europafahne drauf ist, aber drinnen keine Alltagspolitik zu Europa festgelegt wird. Hier muss jeder Mitgliedstaat mitwirken.
Vertreter der Kommission sind Vermittler und Diplomaten, die direkt dem Kommissionspräsidenten unterstellt sind. Unsere Aufgabe ist es nicht, nach links und rechts zu prügeln, sondern zu vermitteln. Ja, wir müssen Fakten richtigstellen. Es geht aber um leise Zwischenrufe, nicht um laute.
Ich vertrete hier die Position der Kommission. Und die ist, dass wir Vorgaben für den Beginn von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien gemacht haben. Nach intensiver Prüfung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass diese erfüllt wurden. Der französische Präsident hat aber auch gute Argumente. Er gibt ein Gefühl vieler wieder, dass sich die EU nicht nur erweitern kann, sondern auch weiter reformieren und stärken muss. Wenn wir Macron so verstehen und sich alle darauf verständigen, dass die EU neben der Erweiterung auch vertieft wird, können alle davon profitieren.