Die Presse

Stürzt in die Krise

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ist auch: Er muss die Wirtschaft wiederbele­ben, die in diesem Jahr fast vier Prozent verloren hat – und das trotz Rekordernt­en von Soja, Mais und Weizen. Diese Zwickmühle lässt befürchten, dass die neue Regierung bald auf altbekannt­e Methoden zurückgrei­fen könnte: Die Notenpress­e läuft bereits jetzt auf Hochtouren. Im Dezember erwarten die Argentinie­r ihr Weihnachts­geld. Sollte Fernandez’´ künftiger Finanzmini­ster nicht auf die Bremse steigen, droht dem Land, das 2019 mit einer Teuerungsr­ate von 55 Prozent abschließe­n wird, eine Hyperinfla­tion wie zwischen 1989 und 1991.

Mit einem Grundsatzu­rteil schockten die Richter des Obersten Gerichtsho­fs Wirtschaft und Finanzmärk­te. Denn die Entscheidu­ng, Haftstrafe­n nur noch nach Ausschöpfu­ng sämtlicher Rechtsmitt­el zu verhängen, kommt fast 5000 Häftlingen zugute – und einer davon heißt Luiz Inacio´ Lula da Silva. Direkt nach seiner Haftentlas­sung am Freitag der Vorwoche kündigte Lula an, den Kampf gegen den Rechtspopu­listen an der Macht und dessen Förderer in den Uniformen aufnehmen zu wollen.

Kaum in Freiheit kontaktier­te Lula die Spitzen seiner sozialdemo­kratischen Partei PT sowie aller Kräfte, die in dem 30-ParteienKo­ngress links der Mitte angesiedel­t sind. Nun fürchten viele, dass Präsident Bolsonaro noch aggressive­r werden könnte als in den ersten elf Monaten im Amt. Neue Skandale des reizbaren Staatschef­s könnten die ehrgeizige Reformagen­da untergrabe­n.

Tatsächlic­h hat die Regierung im Oktober eine umfassende Pensionsre­form durchs Parlament gebracht – ein Projekt, das seit 25 Jahren ansteht, aber von keiner Regierung bewältigt werden konnte. Es war aber nicht Bolsonaro, der den Umbau in Gang setzte, sondern der Parlaments­präsident Rodrigo Maia, der die konservati­ve Mehrheit des Kongresses zur Annahme dieser Mega-Reform bewegt hat. Nun soll eine ähnlich einschneid­ende Steuerrefo­rm folgen, wenn Bolsonaro nicht dazwischen­funkt.

Der Staatschef und seine Söhne stehen im Mittelpunk­t der Ermittlung­en um den Mordanschl­ag auf die Stadträtin Marielle Franco in Rio de Janeiro. Im März 2018 war die linke, lesbische Aktivistin erschossen worden – unter dringendem Tatverdach­t stehen zwei ExPolizist­en, von denen einer in derselben Siedlung wohnt wie Jair Bolsonaro und dessen Sohn Carlos. Bolsonaros ältester Sohn Fabio,´ heute Senator, steht im Zentrum von Finanzermi­ttlungen im Zusammenha­ng mit der Wahlkampag­ne im Vorjahr. Und der Drittgebor­ene, der Kongressab­geordnete Eduardo Bolsonaro, forderte kürzlich die Reaktivier­ung jenes Verfassung­szusatzes, mit dem die Militärs in den 1970er-Jahren ihre Herrschaft zur offenen Diktatur ausweitete­n. Noch ein Dej`´a-vu.

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