Die große Bühne der alten Garde
Tennis. Sind sie nur prominente Maskottchen oder doch das letzte Puzzlestück zum ganz großen Erfolg? Die meisten Weltklasseprofis setzten auf einen Supercoach, auch Dominic Thiem überlegt.
Bei den besten drei Spielern der Welt saßen in London auch drei Grand-Slam-Champions in den Boxen: Carlos Moya,´ Goran Ivaniseviˇc´ und Stefan Edberg. Kaum ein Weltklasseprofi im Herrentennis, der nicht auf einen Supercoach setzt, also einen ehemaligen Topspieler im Trainerteam. Also wird auch im Lager von Dominic Thiem vor dessen Halbfinale bei den ATP Finals (21 Uhr, Servus TV, Sky) darüber nachgedacht, mit Thomas Muster einen solchen Mann ins Boot zu holen. Der 52-jährige ehemalige Weltranglistenerste ist auch nicht abgeneigt. Doch was taugen die Supercoaches überhaupt?
In London ist Edberg nur als Freund von Roger Federer mit von der Partie. Von 2013 bis 2015 aber gab der Schwede, 53, den Supercoach des Schweizers. Federer hatte erkannt, dass Djokovic,´ Nadal und Co. von der Grundlinie aus kaum noch zu bezwingen sind. Mithilfe von Edberg, einem der besten Serve-and-Volley-Spieler, wollte er wieder aggressiver agieren. Der Plan ging auf, Federer nahm unter Edberg auch einen Schlägerwechsel vor, seine Leistungen stabilisierten sich. „Wir reden über Gott und die Welt, natürlich auch über Tennis“, erzählte Federer. Seine jüngsten Major-Titel gewann er dann mit Trainer Ivan Ljubiciˇc,´ 40, selbst einst Nummer drei der Welt. Doch die Basis dafür, dass Federer mit 38 Jahren noch um große Titel spielt, legte Edberg.
Noch unmittelbareren Effekt hatten die Supercoaches Magnus Norman, 43, Ivaniseviˇc,´ 48, und Ivan Lendl, 59. Der Schwede Norman coachte schon erfolgreich Robin Söderling, stieß dann 2013 zu Stan Wawrinka. In den nächsten drei Jahren gewann der Schweizer stets einen Major-Titel, Norman formte Wawrinka vor allem mental zu einem Champion, die Schläge dafür hatte dieser bereits.
Ähnlich Goran Ivaniseviˇc.´ Der Kroate führte Landsmann Marin Cˇilic´ auf Anhieb zum US-Open-Titel 2014. Mit der Legende an seiner Seite marschierte Cˇilic´ durch das Turnier, Ivaniseviˇc’´ Handschrift war klar erkennbar (Finalgegner war Kei Nishikori, der nach wie vor auf Supercoach Michael Chang setzt). Ivaniseviˇc’´ berät nun Djokovic,´ gemeinsam triumphierten sie heuer in Wimbledon.
Ivan Lendl machte aus Andy Murray ebenfalls einen Grand-Slam-Sieger.
Wie genau, bleibt rätselhaft. Bei der Schlagtechnik hielt sich Lendl völlig zurück, die Kommunikation beschränkte sich zudem auf den Tennisplatz, gemeinsame Abendessen gab es kaum. „Ivan pflegt früh zu speisen“, sagte Murray einmal. Dennoch: Der Schotte gewann mit Lendl zwei Major-Titel und Olympiagold. Murray siegte erst wieder in Wimbledon, als Lendl nach zweijähriger Pause zurückgekehrt war.
Der gebürtige Tscheche hatte einst selbst auf einen Supercoach gesetzt. Lendl wollte mithilfe von Tony Roche Wimbledon gewinnen, scheiterte aber (Roche trainierte später Pat Rafter, Lleyton Hewitt und Federer). Lendls Engagement bei Alexander Zverev endete heuer im Streit.
Umstritten ist der Einfluss von Boris Becker, 51, bei Djokovic´ (2013 bis 2016). Die gemeinsame Bilanz spricht für Becker: sechs Titel bei zwölf Major-Turnieren.
Weitere Beispiele gibt es sonder Zahl. Mit John McEnroe servierte sich Milos Raonic 2016 ins WimbledonFinale, Andre Agassi gab ein kurzes Gastspiel bei Djokovic,´ und schon lang bevor die Supercoaches in Mode kamen, hatte Jimmy Connors seinen Schützling Andy Roddick ins US-Open-Finale 2006 verholfen. Auch Richard Krajicek, Pat Cash und Sergi Bruguera tauchten als Trainer auf, Rafael Nadal hat Landsmann Carlos Moya´ an seiner Seite.
Die erfolgreichen Supercoaches eint, dass sie ein Detail – spielerisch oder mental – bei ihren Schützlingen ausgemacht und verbessert haben. Oftmals waren ihren eigenen Fähigkeiten für diese Aufgaben prädestiniert, oft wurden sie genau deswegen engagiert.
Was kann also Muster bei Thiem einbringen? Zum einen das Wissen über die allerletzten Schritte in Richtung Grand-Slam-Titel. Außerdem die Aura eines Champions in der eigenen Box. Spielerisch hat Thiem auf schnellen Belägen und beim Return noch Luft nach oben, beides keine Spezialgebiete von Muster (vielmehr von Österreichs Ex-Top-Ten-Mann Jürgen Melzer). Außerdem: ThiemCoach Nicola´s Massu´ macht bisher alles richtig und brachte die erhoffte Lockerheit in den Tennisalltag. Für seine Lockerheit war Thomas Muster nicht bekannt.