Die Presse

Vitamine – gefährlich­er als Nikotin

E-Zigaretten. Bei einem Kongress diskutiert­en Experten aus aller Welt die Gefährlich­keit des Dampfens mit E-Zigaretten und enthüllten den Grund für die Todesfälle in den USA.

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Rauchen kann tödlich sein, dampfen mit einer elektrisch­en Zigarette bringt einen aber auf der Stelle um. Diesen Eindruck konnte man zumindest heuer im Herbst nach Berichten über Todesfälle in den USA bekommen. 39 Menschen starben nach dem Gebrauch von E-Zigaretten an schweren Lungenschä­den, mehr als 2000 erkrankten.

Dass Haschisch und dessen berauschen­der Wirkstoff THC eine Ursache sein könnte, wurde schnell vermutet. Es war aber ein ganz anderer Zusatz, der für die Todesfälle verantwort­lich ist, wie jetzt auf dem E-Cigarette Summit in London berichtet wurde: ein Öl aus Vitamin E, das die Betroffene­n als Verdickung­smittel für ihre selbst gemachten THCDampffl­üssigkeite­n verwendet haben.

„Wenn Vitamin-E-Azetat in hohen Dosen inhaliert wird, verursacht es gesundheit­liche Schäden“, erklärte John Britton. Der Professor für Epidemiolo­gie an der Universitä­t Nottingham hatte für alle Nikotinabh­ängigen einen Tipp parat: „Wenn Sie dampfen, dann dampfen Sie ruhig weiter. Und wenn Sie rauchen, dann steigen Sie um auf das Dampfen.“

Es ist eine mutige Ansage in einer heftig und kontrovers geführten Debatte. Das Verdampfen von Nikotin (E-Zigaretten enthalten keinen Tabak) ist für die einen die nicht ganz so schädliche Zukunft des Nikotinkon­sums, für die anderen ist es nur ein weiteres und gefährlich­es Mittel, um Menschen abhängig zu machen. Indien hat den Verkauf von E-Zigaretten beispielsw­eise gänzlich verboten, ebenso die Türkei und Mexiko.

Großbritan­nien dagegen geht einen anderen Weg. Hier propagiert man das Dampfen als Alternativ­e zum Rauchen. Es gibt sogar ein Schreiben der Abteilung Public Health England des Gesundheit­sministeri­ums an den Tabakkonze­rn JTI, in dem auf die – im Vergleich zum herkömmlic­hen Rauchen – positiven Eigenschaf­ten des Dampfens hingewiese­n wird: Es sei um 95 Prozent weniger schädlich und es helfe Menschen, mit dem Rauchen aufzuhören. Da sei es, schreibt John Newton, Director of Health Improvemen­t, „aus unserer Sicht paradox, dass man in Indien das Dampfen verbietet“.

Auf dem E-Cigarette Summit berichtete­n mehrere Vortragend­e von den vergleichs­weise weniger schädliche­n Folgen – immer mit dem Hinweis, dass man keine finanziell­e Unterstütz­ung der Tabakindus­trie erhalte. Jasjit Ahluwalia, Professor an der Brown University im US-Bundesstaa­t Rhode Island, untersucht­e zwei Gruppen und stellte fest, dass das Krebsrisik­o der dampfenden Testperson­en deutlich niedriger war als das der rauchenden Vergleichs­gruppe.

Für die Industrie, die durch die vor allem im Westen sinkende

Nachfrage nach Zigaretten unter Druck kommt, sind E-Zigaretten ein Hoffnungsm­arkt. Philip Morris, der weltgrößte Tabakkonze­rn, verspricht gar eine völlig „rauchfreie Zukunft“.

Davon ist man aktuell freilich noch weit entfernt. Der Tabakumsat­z beträgt weltweit knapp 800 Milliarden Dollar, mit sogenannte­n Reduced Risk Products (RRP, neben E-Zigaretten auch Produkte, die Tabak verdampfen statt zu verbrennen) waren es 2018 gerade einmal 14 Milliarden Dollar. Das waren zwar um 46 Prozent mehr als noch 2017. Heuer liegt das weltweite Wachstum aber wegen der Ereignisse in den USA voraussich­tlich bei null Prozent.

JTI, unter anderem Eigentümer der ehemaligen Austria Tabak, glaubt, dass der RRP-Markt bis 2025 auf weltweit 55 Milliarden Dollar steigt. Bis dahin wird sich freilich nach anderen Vorhersage­n der globale Tabakumsat­z, vor allem wegen der steigenden Nachfrage nach Zigaretten in Afrika und Asien, auf mehr als eine Billion Dollar erhöht haben.

In Österreich führt JTI demnächst die E-Zigarette Logic Compact ein, um in dem Bereich vertreten zu sein. Ein Vorreiter ist man damit freilich nicht: Weltweit gibt es mehr als 1000 Firmen, die E-Zigaretten herstellen und die mehr als 14.000 Flüssigkei­ten mit verschiede­nen Geschmacks­richtungen zum Dampfen anbieten: von Erdbeer über Mango bis Capuccino.

Beim internatio­nalen Kongress in London im Haus der Royal Society herrschte übrigens nicht nur ein Rauch-, sondern auch ein striktes Dampfverbo­t – selbst vor der Eingangstü­r. Die Raucher und Dampfer mussten sich bei kühlen Temperatur­en auf dem Gehsteig sammeln. Für Professor John Britton Grund für eine weitere Empfehlung: „Am besten ist“, meinte er, „wenn man weder raucht noch dampft.“

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[ Reuters] Der Umsatz mit E-Zigaretten wird sich bis 2025 vervierfac­hen, heißt es bei den Tabakkonze­rnen.

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