Brutstätten des Fin de Si`ecle
Klassiker der heimischen Moderne wie Kolo Moser, Egon Schiele, Josef Hoffmann, Alfons Walde bestimmen das Angebot der 130. Kunstauktion im Kinsky. International gibt sich die Sparte Zeitgenossen.
Als Mitbegründer der Secession 1897 und wenige Jahre später der Wiener Werkstätte war Koloman Moser eine der Leitfiguren des Fin de Si`ecle. Mit der Organisation von Ausstellungen, der Mitwirkung an der Zeitschrift „Ver Sacrum“, Aufträgen in den Bereichen Architektur, Design und Kunsthandwerk sowie seiner Professur an der Kunstgewerbeschule drückte er der Bildsprache dieser Zeit unverkennbar seinen Stempel auf. Ein Ereignis, das ihn selbst maßgeblich prägte, war die intensive Beschäftigung mit der Malerei Ferdinand Hodlers 1913 während eines Aufenthalts in der Schweiz. Ihre glühende Farbigkeit, symbolistische Bildsprache und strenge Landschafts- und Figurenkomposition beeindruckten Moser nachhaltig.
Ein Sujet, in dem Moser seine Erkenntnisse im selben Jahre noch erprobte und mehrfach umsetzte, ist der „Blick auf die Rax von der Villa Mautner von Markhof“aus. Ausgeführt vom Balkon des Hauses seiner Frau, Ditha, am Wolfsbergkogel oberhalb der Bahnstation Semmering zeigt das Bild am Horizont die Rax in Frontalansicht. Breit erstreckt sich das Massiv vor einer gelben Himmelsfläche. Davor schieben sich einige dunkle bewaldete Hügelketten in den Blick, rechts im Bild die schroffen Felsen der Adlitzgräben. Koloman Moser arbeitete sich an diesem Landschaftssujet, von dem es einige Fassungen in ähnlichem Format gibt, regelrecht ab. Mit seinen verschiedenen Lichtstimmungen, der Auslotung von Farb- und Lichtwerten und dem Verhältnis von Naturwahrnehmung und künstlerischer Verdichtung und Übersetzung wurde der Rax-Blick zu einem Schlüsselsujet, dessen Vokabular auch in anderen Kompositionen von Mosers Spätwerk zur Anwendung kam (150.000–200.000 €).
Die Landschaft ist denn auch eines der Leitmotive der „Klassischen Moderne“-Auktion. Mit einer rhythmisch gegliederten Ansicht von „Kitzbühel im Winter“führt Alfons Walde den Reigen der Toplose an (180.000–360.000 €), dazu kommt Egon Schieles frühe Ölskizze eines Bauernhauses mit nervöser Flächenkomposition (150.000–300.000 €). Weitere Klassiker vor allem der österreichischen Moderne – von Gustav Klimt und Max Oppenheimer über Anton Kolig, Werner Berg, Albin Egger-Lienz bis zu Norbertine Bresslern-Roth und Oskar Laske – runden das Angebot der Sparte satt ab.
Josef-Hoffmann-Freunde können bei der Jugendstil-Auktion aus dem Vollen schöpfen. Gleich die ersten Lots machen Lust auf mehr: ein kleiner silberner Flaschenstoppel zum Auftakt, eine Brosche und ein silberner Limonadenlöffel, ein Gitterkörbchen, eine Zigarettenkassette, eine Gürtelschließe, eine Lampe, mehrere wunderbare Kaffeeservice, später dann Gläser, eine Girandole und ein Exemplar von Hoffmanns berühmter Sitzmaschine. Was hier aus teilweise prominentem (Primavesi !) österreichischen und europäischen Privatbesitz aufgerufen wird, ist gleichsam ein Durchlauf durch die künstlerische Bandbreite des Wiener-Werkstätten-Gründers. Eine besondere Rarität ist eine sechsteilige Schreibtischgarnitur aus Alpakasilber, die von der Wiener Werkstätte 1909 für einen gewissen Dr. Glogossky angefertigt wurde. Bestehend aus Tischlampe, Federtasse, Tintenzeug, Briefbeschwerer, Schale und Kerzenhalter mit Zündholzhalter wurde dieses Komplettset in der Zusammenstellung nur ein einziges Mal ausgeführt, wie Archivmaterialien belegen (100.000–200.000 €).
Neben der Metall- und Möbelkunst der Wiener Werkstätte ist auch die Keramik stark vertreten, mit frühen Entwürfen von Powolny, Klablena und Peche ebenso wie mit expressionistischen Werken aus den 1920er-Jahren von Vally Wieselthier, Gudrun Baudisch, Erna Kopriva. Nicht fehlen darf auch die Glaskunst, darunter eine Vasenkollektion von Johann Lötz Witwe. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Skulpturen von Georg Minne und Bruno Zach.
Am zweiten Auktionstag, in dessen Zentrum die Zeitgenossen stehen, schließt sich der Bogen zum Wiener Fin de Si`ecle abermals. Gustav Klimt ist das Bindeglied. Den Wiener Malerfürsten sollte nämlich der Deutsche A. R. Penck in „Back to Fucking Cambridge“verkörpern. Der prominent mit zeitgenössischen Künstlern besetzte Film über das Wien der Jahrhundertwende wurde auf dem Friedrichshof unter der Regie von Otto Mühl und Terese Schulmeister produziert. A. R. Penck, eine Leitfigur der Neuen Wilden der Achtzigerjahre, schlüpfte allerdings nur kurz in die Rolle des Gustav Klimt. Er zog sich bald aus dem Projekt zurück und drehte lieber seinen eigenen Klimt-Film, den Dreiminüter „Gustav Zimt“. Die kraftvoll ausgeführten, während der Dreharbeiten entstandenen Ornamentalgemälde verblieben auf dem Friedrichshof. Als Reminiszenz an das Spiel mit oszillierenden Identitäten finden sich die Initialen „GK“prominent in einem freien Feld des schwarz-weißen Monumentalbilds (100.000–180.000 €).
Mit Zero-Künstler Günther Uecker ist ein weiterer Deutscher mit einem Schlüsselwerk in der Auktion vertreten. In ihrer Kunst arbeiteten die Vertreter der ZeroBewegung auf eine Art Nullpunkt der Kunst hin. Ueckers „Lichtscheibe“von 1967 ist ein Beispiel für seine innovativste und gesuchteste Periode, die durch die Teilnahme an der Documenta in Kassel 1968 und an der Biennale von Venedig 1970 gekrönt wurde. Das kreisrunde weiße Bild ist übersät mit Hunderten Nägeln. Vom Künstler in schöner Regelmäßigkeit mit jeweils einem Finger Abstand eingeschlagen, erweitern sie das Bild in den Raum. Ein rückseitig angebrachter Motor bringt es in Rotation und die Schatten gleichsam zum Tanzen (250.000–400.000 €).
In eine kreisrunde Scheibe blickt auch Juan Mun˜oz’ Skulptur eines lachenden Chinesen; mit einem Schätzwert von 300.000 bis 500.000 € ist es der Spitzenreiter der Auktion, gefolgt von einer Reihe österreichischer Toplose – darunter West, Weiler, Hundertwasser, Jungwirth und einmal mehr Erwin Wurm, diesmal mit einem „Fat Car“aus dem Jahr 2005 (60.000–100.000 €).