Warum haben Insekten kein rotes Blut?
Blut ist konnotiert mit der Farbe Rot, wobei das nicht so selbstverständlich ist, denn die Farbe ist abhängig von der Art des Sauerstofftransports.
Der Körperaufbau von Insekten ist vollkommen anders als bei Wirbeltieren. Abgesehen von den offensichtlichen Unterschieden – sechs Beine, Fühler, ein in drei Segmente zerteilter Körper – trifft das auch auf die inneren Strukturen zu: Ihr Skelett umhüllt sie von außen, das sogenannte Herz – eine Ansammlung von Muskeln – liegt an der Rückseite, das Nervensystem führt am Bauch entlang, und sie verfügen weder über eine Lunge noch über Blutgefäße.
„Die Entwicklung der Insekten geht sehr viel weiter zurück als die der Säugetiere, die ersten Insekten haben sich im Devon, vor rund 400 bis 500 Millionen Jahren, entwickelt und erlangten im Karbon, vor rund 300 Millionen Jahren, aufgrund des höheren Sauerstoffgehalts in der Luft eine Größe von bis zu 75 cm Flügelspannweite“, erläutert der Zoologe Martin Lödl, Direktor der Entomologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien.
Was Insekten ebenfalls fehlt, ist Blut – zumindest das, was wir als Blut bezeichnen. Was durch unsere Adern fließt, ist deshalb rot, weil das Hämoglobin – der für den Sauerstofftransport zuständige Proteinkomplex in den roten Blutkörperchen – ein Eisenatom als aktives Zentrum hat. „Es gibt aber auch blaues Blut, wenn im Zentrum des Transportkomplexes Kupferatome sitzen, etwa bei Krebsen und Schnecken“, so Lödl. „Insekten brauchen aber weder Kupfer- noch Eisenatome für den Sauerstofftransport und haben daher auch kein blaues oder rotes Blut.“Das, was bei ihnen – nicht durch Adern, sondern frei – durch den Körper fließt, wird als Hämolymphe bezeichnet und ist eine farblose bis gelblich-grüne Flüssigkeit, die alle notwendigen Stoffe zu den verschiedenen Teilen des Körpers transportiert. Dabei wird sie durch die Peristaltik des Insektenherzens in Bewegung gehalten: Zuerst wird die Hämolymphe in das Herz gesaugt, von dort durch die Aorta in den Kopf gepumpt und verteilt sich dann über den Thorax in den Hinterleib sowie in die Beine und Flügel.
„Der notwendige Sauerstoff gelangt direkt von den Atmungsöffnungen durch ein Tracheensystem, ein Röhrensystem, zu den Organen. Das heißt, Insekten atmen nicht durch den Mund, sondern im Prinzip durch die Haut, wobei der Sauerstofftransport vor allem durch Diffusion erfolgt. Die Atmungsöffnungen sind mit Filtern und Schließvorrichtungen versehen, damit sie je nach Bedarf geöffnet und geschlossen werden können. Die Organe sitzen in Körperspalten, in die die Enden der Tracheen wie Äste ragen, womit so gut wie jede Zelle versorgt werden kann“, erklärt Lödl.
Ein Nebeneffekt dieses passiven Sauerstofftransports: Insekten können kaum ertrinken, zumindest nicht so schnell wie Lungenatmer. „Die Atemöffnungen schließen sich in dem Fall durch den Wasserdruck, es kann also kein Wasser eindringen, und sie verfügen über so viel Luft in ihrem Körperinneren, dass sie bis zu 15 Minuten unter Wasser überleben können“, erläutert der Entomologe.
Einzige Ausnahme unter den Insekten ist die Larve der Zuckmücke. Sie lebt in extrem sauerstoffarmen Gewässern und benötigt zusätzlichen Sauerstoff. Ihre Hämolymphe enthält daher auch Hämoglobin, wodurch die Flüssigkeit ebenso rot gefärbt ist wie menschliches Blut. Sauerstoff durch Röhren