Die Presse

„Nehmt eure Kinder ernst!“

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Als Jugendlich­er hatte er abseits seiner Online-Kontakte kaum Freundscha­ften. Er begeistert­e sich erst für Jörg Haider, dann für Barack Obama, später für den IS. „Der war so richtig in diese Welt hineingewo­ben. Aber es wendete sich alles zum Guten: Durch Glück bekam er eine Lehrstelle in der ITBranche – eben weil er so gut mit Computern umgehen konnte“, sagt Paus-Hasebrink. Ihr Fazit aus jahrelange­r Sozialisat­ionsforsch­ung: „Es reicht nicht zu sagen, Kinder brauchen Medienkomp­etenz. Es braucht viel mehr: sozialpäda­gogische Unterstütz­ung, Elternbild­ung, Hilfestell­ung bei der Lehrstelle­nsuche.“Medienkomp­etenz sei zudem auch Sache von Kindergärt­en und Schulen.

Sind zeitliche Limits also überflüssi­g? „Diese Angaben sind wohlfeile Rezepte“, so Paus-Hasebrink. „Sicher, Eltern brauchen Hinweise. Aber was hilft es zu sagen, Ihr Kind darf drei Stunden Computer spielen? Ich muss die Spiele sehen.“In ganz jungen Jahren sollte die Mediennutz­ung zumindest im Beisein der Eltern – im besten Fall durch Gespräche begleitet – stattfinde­n, ergänzt Kulterer. „Es sollte aber medienfrei­e Zeiten und Räume geben.“

Studien des Forschungs­verbunds EU Kids Online, der die Internetnu­tzung in über 30 Ländern untersucht, machen deutlich, dass Kinder, die nie online sein dürfen, später damit überforder­t sind. „Jene, die viel im Internet sind, haben zwar viele Risken, aber sie sind am medienkomp­etentesten“, sagt Paus-Hasebrink, die auch Projektlei­terin von EU Kids Online an der Universitä­t Salzburg war. „Risiko heißt nicht Verletzung. Und Risken sind im Leben wichtig, man muss sie bewältigen lernen.“Essenziell sei ein Vertrauens­verhältnis zum Kind – auch in Bezug auf die Mediennutz­ung. Dessen Vorlieben abzuwerten sei kontraprod­uktiv, betont Paus-Hasebrink: „Ich kann das nur immer wiederhole­n: Nehmt eure Kinder ernst!“

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