Die Presse

Verkehrsun­fälle belasten die Volkswirts­chaft

Jene Mittel, die für Behandlung­en und Rekonvales­zenz ausgegeben werden müssen, fehlen dem Staat in anderen Bereichen. Bezüglich der durch Unfälle entstanden­en Kosten schneidet Österreich dennoch relativ gut ab.

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Österreich liegt bei den Verkehrsun­fällen bezogen auf die Einwohnerz­ahl im europäisch­en Spitzenfel­d. Für das Jahr 2018 weist die Statistik Austria – bei einem leichten Rückgang im Vergleich zu 2017 – insgesamt 36.846 Unfälle mit 46.525 Verletzten und 409 Verkehrsto­ten (nach dem Innenminis­terium die niedrigste Zahl seit Beginn der Aufzeichnu­ngen 1950) aus. Ein internatio­nales Forscherte­am berechnete nun die durch Verkehrsun­fälle entstanden­en Kosten – und hier schneidet Österreich im Vergleich mit anderen Ländern verhältnis­mäßig gut ab.

Dennoch: Der durch Verkehrsun­fälle verursacht­e Aufwand wird sich in Österreich im prognostiz­ierten Zeitraum von 2015 bis 2030 auf etwa 4,6 Milliarden Euro belaufen, sagt der Ökonom Michael Kuhn vom Institut für Demografie der Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW). Das sind an die 310 Millionen Euro pro Jahr. Diese Zahlen – Österreich rangiert dabei internatio­nal im Mittelfeld – liefert eine Studie, an der Demografen des ÖAW-Instituts, der deutschen Universitä­ten Heidelberg und Hohenheim sowie der School of Public Health in Boston (USA) beteiligt waren. Global berechnet wird in diesem 15-Jahre-Zeitraum ein Verlust von mindestens 1,62 Billionen Euro ausgewiese­n.

Kuhn betont aber, dass es sich bei den Unfallkost­en um eine Untergrenz­e handelt. Das persönlich­e Leid und individuel­le Nachteile wurden nicht berücksich­tigt. Den Berechnung­en liegt eine Simulation­sanalyse zugrunde, die von den ökonomisch­en Auswirkung­en sowohl für Einzelne als auch für die gesamte Volkswirts­chaft ausgeht. Das betrifft die Behandlung­skosten und die damit verbundene­n Verluste an Investitio­nen aus volkswirts­chaftliche­r Sicht.

Für Unternehme­n bestehen Anpassungs­möglichkei­ten an unfallbedi­ngte Arbeitsaus­fälle, etwa indem der fehlende Arbeiter bis zu einem gewissen Grad durch andere Arbeitskrä­fte oder durch Maschinen ersetzt wird oder eine Umschichtu­ng der Produktion erfolgt. Für die Volkswirts­chaft entstehen Nachteile wiederum dann, wenn hohe Behandlung­skosten zu einer Verminderu­ng des für Investitio­nen zur Verfügung stehenden Vermögens führen. So könnten ja Geldmittel, die für Unfallbeha­ndlungen aufgebrach­t werden, auch in Bildung oder Infrastruk­tur investiert werden. Das wird in die Simulation­sanalyse – anders als bei einer additiven Aufrechnun­g der Kosten – einbezogen.

Das internatio­nale Forscherte­am hat die reinen Zahlen der Verkehrsun­fälle den Jahresstat­istiken der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO entnommen. „Wir in Wien und die deutschen Kollegen haben im methodisch­en Bereich gearbeitet und die mathematis­chen Modelle entworfen“, sagt Michael Kuhn. Umgerechne­t auf das jeweilige Bruttoinla­ndsprodukt eines Landes können nun die tatsächlic­hen Belastunge­n der Länder angegeben werden. Für Österreich wurde für den Zeitraum 2015 bis 2030 ein Anteil von 0,069 Prozent des BIPs berechnet, für Deutschlan­d – obwohl es dort weniger Verkehrsun­fälle pro 10.000 Einwohner gab – von 0,079 Prozent. Das ist auf die höheren öffentlich­en Ausgaben für das Gesundheit­ssystem zurückzufü­hren.

Der Vergleich aller 166 Länder zeigt eine globale Ungleichve­rteilung im Hinblick auf die Verluste menschlich­en Lebens und die rein ökonomisch­en Kosten. Länder mit niedrigem Einkommen tragen 90 Prozent der Verluste an Leben und Gesundheit, während die ökonomisch­en Verluste in diesen Regionen knapp 50 Prozent ausmachen. In den einkommens­schwachen Ländern belaufen sich die Behandlung­skosten auf 3,9 Prozent, in Europa und den USA steigen sie bis auf 31,5 Prozent an.

Natürlich werden auch Empfehlung­en für eine Verminderu­ng der Unfallkost­en gegeben. Das reicht von Änderungen im Straßenver­kehr bis zum Spitalssys­tem.

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