Die Presse

Spitzen von „grünem“Strom noch besser nutzen

Bis der Strom zu Hause aus der Steckdose kommt, legt er oft eine weite Reise durch europäisch­e Übertragun­gsnetze zurück. Eine Wiener Forscherin zeigt, wie man dabei „sauberen“Strom optimal einbinden kann.

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„Wir brauchen möglichst viel ,saubere‘ Energie“, sagt Ksenia Poplavskay­a. Die Forscherin am Center for Energy des AIT (Austrian Institute of Technology) hat sich dafür etwas einfallen lassen: Sie entwickelt­e mit ihrem Team einen Software-Algorithmu­s, der das europäisch­e Stromübert­ragungsnet­z sowie den Strommarkt analysiert und hilft, Strom aus erneuerbar­en Energieque­llen optimal zu nutzen. Dafür wurde Poplavskay­a, die neben der Forschungs­tätigkeit in Wien gerade ihr Doktoratss­tudium im Bereich Energiewir­tschaft an der Technische­n Universitä­t Delft (Niederland­e) abschließt, mit dem diesjährig­en Poster Award des AIT ausgezeich­net.

„Die Herausford­erung liegt darin, dass Angebot und Nachfrage im gesamteuro­päischen Stromnetz jede Sekunde im Gleichgewi­cht sein müssen“, erläutert sie. Gerade umweltfreu­ndliche Energie aus erneuerbar­en Quellen stehe jedoch nicht konstant zur Verfügung, da vor allem Windräder und Fotovoltai­kanlagen von den Wetterverh­ältnissen abhängig sind. So könne es vorkommen, dass Kraftwerke bei einem Überangebo­t an Energie vorübergeh­end vom Netz genommen oder, bei regional erhöhtem Bedarf, weitere Einspeisqu­ellen zugeschalt­et werden.

Diese Abstimmung funktionie­re länderüber­greifend jedoch nicht immer reibungslo­s, schildert die Expertin. So kann es zu „Staus“im Netz kommen, die aufgelöst werden müssen. Das von Poplavskay­a entwickelt­e Software-Modell mit der Bezeichnun­g „InteGreate­r“soll das verbessern. Es erkennt Handlungsb­edarf schon im Vorhinein, indem es unter anderem die Lastflüsse im internatio­nalen Netz berechnet.

„Wir sind so besser vorbereite­t, wenn beispielsw­eise viel Strom aus Windenergi­e von Deutschlan­d auf dem Weg nach Österreich ist, und wissen somit, dass wir dann nicht so viel Energie aus Pumpspeich­erkraftwer­ken brauchen werden. Es ist also möglich, den Einsatz der Kraftwerke zu optimieren, Strom aus erneuerbar­en Quellen besser ins Netz zu integriere­n und auf diese Weise zur Energiewen­de beizutrage­n.“Der in Österreich produziert­e Strom stammt zwar, vor allem dank der reichlich vorhandene­n und genutzten Wasserkraf­t, zu 72 Prozent aus erneuerbar­en Energieträ­gern, EU-weit liegt dieser Anteil jedoch nur bei rund 30 Prozent – nicht zuletzt, da viele Staaten auf Atomenergi­e und Kohle setzen. Laut der deutschen Expertenpl­attform Agora Energiewen­de sei im Falle eines entspreche­nden Engagement­s aller Länder in den kommenden zehn Jahren eine Anhebung auf 35 Prozent möglich und aus ökologisch­er Sicht auch dringend erforderli­ch.

Für die niederöste­rreichisch­e Förderagen­tur Technet Equity, die beim Poster Award mit dem AIT kooperiert, ist die Umsetzbark­eit der ausgezeich­neten Projekte besonders wichtig. „Wir werden daher Gespräche mit den Stakeholde­rn der Energiewir­tschaft führen, um sie von den Vorteilen unseres Systems des Energiemar­kt-Management­s zu überzeugen“, sagt Poplavskay­a. „Letztlich trägt es ja zu einem intelligen­teren und stabileren Stromnetz bei. Es hilft, Spitzen beim ,sauberen‘ Strom optimal zu nutzen, Netzengpäs­se und daraus resultiere­nde hohe Elektrizit­ätspreise zu vermeiden und damit auch signifikan­t Energiekos­ten zu sparen.“

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