Frühstück mit den Kumpeln
Expedition Europa: vor der Grube in Banovi´ci – im bosnischen Machtvakuum.
Am Montag habe ich mit bosnischen Kohlekumpeln gefrühstückt. So versuchte ich, das bosnische Machtvakuum auszuleuchten – über ein Jahr nach den Wahlen haben der Gesamtstaat und der bosniakisch-kroatische Teilstaat „Föderation“immer noch keine Regierung. Noch rauer und verworrener sieht es im netten bosniakischen Bergbaustädtchen Banovici´ aus: Das Bergwerk gehört mehrheitlich der Föderationsregierung, während die seinerzeit an die Arbeiter ausgegebenen Anteile offenbar von einem Mirsad Kukic´ kontrolliert werden. Kukic´ war bisher der starke Mann von Banovici´ und des Kantons Tuzla. Der Kanton hat aber seit Kurzem eine Regierung, welche Kukics´ Leute aus der Bergwerksleitung schmiss und das widerspenstige Bergwerk in den Föderationskonzern Elektroprivreda eingliedern will. Kukic,´ der 2018 die PDA von der bosniakischen Staatspartei SDA abspaltete, sucht die Kantonsregierung seither zu stürzen.
Man roch in Banovici´ die verfeuerte Kohle, und eine Frau mit Schubkarre holte bei der Kohlenwäsche Kohle. Dank 24/7-Bergbau ist in den Sportwetten-Shisha-Bars mit ihren 50-Cent-Macchiatos meistens was los, nur Unterkunft gibt es keine. Das einzige Hotel liegt zehn Kilometer bergaufwärts und gehört dem Bergwerk. Das „Zlaca“ist eine Selbstverwaltungssozialismus-Oase. Teppich, Geländer und Kommoden im Treppenhaus scheinen eine Maßarbeit in Grün zu sein, und die an die Wand geschraubten Lederlehnen der Klubbestuhlung im „Kaminzimmer“geben ein wahres Chorgestühl ab – nur dass selbstverwaltete Bergarbeiter die Chorherren waren. Wenn man als einziger Gast nach der Speisekarte fragt, dann nickt der Kellner unbestimmt, zieht sich zur Kontemplation dieser Arbeitslast zurück und kommt später wieder.
„Wind und Sonne hamma nicht“
Am Montagmorgen um sieben, beim Schichtwechsel, ging ich vor das Tor des Bergwerks. Die Kumpel, die in jener Nacht 400 bis 500 Tonnen Kohle aus 300 Meter Tiefe gefördert hatten, standen vor der Lebensmittelhütte. Man stelle sie sich als richtige Kerle vor. „In der Grube ist es nix gefährlich“, sagten sie, anders als im offenen Tagebau oberhalb der Stadt. Der Erste an der Maschine verdiente 600 Euro, was in Bosnien als guter Lohn gilt. „Was ist mit nachhaltiger Energie“, fragte ich sie, „warum macht Bosnien immer noch Strom aus Kohle?“Einer antwortete: „Wind und Sonne hamma nicht, wir ham nur Kohle.“
Zum Frühstück tranken sie 50-CentBier, die einen aus Halbliterdosen, die anderen aus Seidelflaschen. Einige erquickten sich an duftend hausgebranntem Slibowitz. Als Schank diente der massive Eisendeckel einer Mülltonne. Der Deckel war mit einer Eisenkette an den Zaun gekettet, der Müllmann hatte den Schlüssel. Die Kumpel feixten: „Ein Bosnier fladert alles.“
Am Anfang stand ich in einer Menge von 30 bis 40 Bergarbeitern, die nach und nach in ihre Autobusse stiegen. Ich blieb mit den wenigen Autofahrern übrig. Nicht alles war lustig, ihre Lebenserwartung schätzten sie auf 55. Ein Kumpel trank gegen Staublunge Ziegenmilch, und der Kollege mit den Ziegen zeigte mir einen Wisch vom Radiologen, „das Rückgrat ist mir eingegangen“.
Sie hatten im Mai aus Protest gegen eine Lohnsenkung um 50 Euro gestreikt und hatten darauf 70 Euro mehr bekommen, und vor Kurzem hatten sie einen Warnstreik abgehalten. Über Kukic´ sagten sie: „90 Prozent unterstützen ihn“, „Er schaut auf uns“, „Löhne, Löhne, Löhne!“Sie warteten gebannt auf eine Sitzung der geschäftsführenden Födera