Noch kein Wehgeschrei
Mini-Jetlag: Über 1800 Stunden Zeitumstellung habe ich bisher im Leben bewältigt.
Seit drei Wochen sind wir wieder auf Winterzeit, aber ich habe immer noch kein Wehgeschrei über die schreckliche Zeitumstellung gehört. Später aufstehen – na also, kein Problem! Es schmerzt offensichtlich nur in die andere Richtung. Somit kann man schon einmal die Hälfte von dem wegstreichen, was da vorgeblich zweimal pro Jahr an Unbill über uns hereinbricht. Vielleicht gibt es da noch mehr zu entdecken an bloß scheinbarem Leid und gar nicht alle betreffende Qual?
Klammern wir einmal alle Schichtarbeiter aus sowie alle, die im Verkehrsund Transportwesen tätig sind; dann das Pflegepersonal in den Krankenhäusern und einen Großteil der Ärzte. Streichen wir die künstlerisch Tätigen aus der Liste der Leidenden, und auch die Leute im Informationswesen. Streichen wir weiters die vielen in Lehrberufen aller Art, die nicht jeden Tag um acht Uhr zu unterrichten beginnen.
Es gibt viel mehr Menschen mit stark oder wenigstens sachte variierendem Tagesbeginn, als man auf den ersten Blick annehmen würde. Sie alle erleben Ende März gar nicht jene scharfe Kante in ihrem Tagesrhythmus, wie sie seit Kurzem so vehement beklagt wird. Wohl wahr: Für jene von ihnen, die schulpflichtige Kinder haben, relativiert sich das wieder.
Die innere Uhr am Wochenende
Aber nur ein wenig, denn wie ist es denn eigentlich mit der Zeitumstellung am Wochenende? Stehen alle Gegner der Sommerzeit auch Samstag und Sonntag wirklich zur selben Zeit auf wie von Montag bis Freitag, und wenn nein, werden sie mit der Störung der inneren Uhr jeden Montag wieder klaglos fertig?
Ehrlich gesagt: Man kann die Sache mit dem inneren Rhythmus, der angeblich tagelang braucht, um die eine Stunde zu verarbeiten, auch ein wenig übertreiben. Für jemanden, der über 1800 Stunden Zeitumstellung in seinem Leben bewältigt hat (und ich bin weder Diplomat noch Pilot), schmeckt so mancher Seufzer ein bisschen nach Überempfindlichkeit oder Wichtigtuerei.
Ein Für oder Wider die Zeitumstellung sollte man nicht allein vom beweisbaren materiellen Nutzen her abwägen; das „Es hat nichts gebracht“des ehemaligen Verkehrsministers greift zu kurz. Gerade in Zeiten der immer häufigeren, immer heißeren Sommertage sollte man sich gut überlegen, ob nicht die eine zusätzliche helle Stunde sehr willkommen ist, wenn gegen Abend das Thermometer endlich unter die 30-Grad-Marke fällt. Dieser Vorteil sollte nicht mit einer durchgängigen Sommerzeit erkauft werden, denn – wie mehrfach gezeigt wurde – sie brächte für Westeuropa unzumutbar spät anbrechendes Tageslicht im Winter.
Letztlich kann man sich an alles gewöhnen, wie man an einigen Spezialitäten draußen in der Welt sehen kann: Der Bundesstaat South Australia weicht nur eine halbe Stunde von den benachbarten Gebieten ab; innerhalb einiger US-Bundesstaaten gibt es zwei Zeitzonen (zum Beispiel in Tennessee), im gesamten Staatsgebiet von China dagegen nur eine einzige. Was jedenfalls zu vermeiden am wichtigsten wäre, ist ein Patchwork an Zeitzonen in Europa.
Am einfachsten wäre es wohl, die bisherige Regelung beizubehalten; bis vor drei, vier Jahren war ja auch kaum etwas dagegen zu hören. Und was man trotz allem dagegen hören kann – nun, siehe oben, mit etwas Nüchternheit relativiert sich das einigermaßen!