Die Presse

Heilige Bänder, die der Fluss bis Vietnam trägt

Laos. In der Königsstad­t Luang Prabang kann man Mönche beim Opfergang beobachten und auf dem Markt Schlangen und Vögel kaufen. An den meisten Stellen scheinen die Mekong-Ufer jedoch menschenle­er.

-

Als unser Schiff am bewaldeten Ufer in der Nähe des Dorfs Ban Kok San anlegt, beobachten uns ein paar Kinder interessie­rt. Wir haben einige Stunden Fahrt hinter uns, seit wir die ehemalige Königsstad­t Luang Prabang mit ihren weiträumig­en Tempel- und Palastanla­gen und dicht gedrängten Märkten verlassen haben, wo den Touristen handgenäht­e T-Shirts, holzgeschn­itzte Buddha- und Elefantens­tatuen und lebende Vögel in kleinen Käfigen feilgebote­n werden. Wenn man Letztere freilässt, soll das gutes Karma bringen. Das schlechte Karma für das Einfangen der Vögel hat ja schon ein anderer auf sich genommen.

Die laotische Königsstad­t ist heute Weltkultur­erbe. Einen König gibt es aber schon lang nicht mehr. Der letzte König, Savang Vatthana, hat 1975 abgedankt, als nach dem Vietnam-Krieg die Kommuniste­n die Macht übernahmen und die Demokratis­che Volksrepub­lik Laos ausgerufen wurde. Sein Palast ist heute ein Museum, ebenso wie der 1560 erbaute königliche Tempel. Luang Prabang gilt als eine der schönsten Städte Südostasie­ns und lockt auch dementspre­chend viele Reisende an. Sie mischen sich beim traditione­llen Almosengan­g der buddhistis­chen Mönche früh am Morgen unter die Gläubigen und verteilen Reis an die Mönche. Zahlreiche Stufen führen an Buddha-Statuen vorbei auf den Mount Phou Si, den heiligen Berg, der einem weite Sicht über die belebte Stadt und den großen Mekong gewährt, der sich am Ende der Regenzeit braungrau durch die Landschaft schlängelt.

Wo genau der Mekong entspringt, weiß man nicht. Es ist wohl einer von vielen Zusammenfl­üssen im Hochland von Tibet. Chinesisch­e Forscher geben als

Ursprung ein etwa 5200 Meter hoch gelegenes Gebiet nahe dem Ort Ganasongdo­u auf der Nordabdach­ung des Dangla-Gebirges als Ursprung an. Forschungs­expedition­en orteten den Ursprung aber woanders. Wie lang der Mekong genau ist, weiß man auch nicht, mit einer Länge zwischen 4300 und 4900 Kilometern ist er jedenfalls einer der längsten Flüsse der Welt. Von China aus rinnt der mächtige Strom durch Burma, an der Grenze zwischen Laos und Thailand entlang und durch Kambodscha, bis er schließlic­h in Vietnam ins Meer mündet.

Unser kleines Gefährt, die Mekong Sun, ein hölzernes Boutique-Schiff mit nur 14 Kabinen, wartet bereits am Ufer. Nach kurzer Fahrt stromabwär­ts haben wir die Königsstad­t hinter uns gelassen. Man sieht kaum noch Reisende, Einheimisc­he oder Häuser, nur Felsen und Sandbänke, Hügel und Tropenwäld­er. Hie und da erblickt man Fischerboo­te in Ufernähe, sonst scheint die Landschaft entlang des Mekong weitgehend menschenle­er. Aber eben nur scheinbar. Wir legen am sandigen Ufer an, gehen an zahlreiche­n Teak-Bäumen vorbei. Diese sind die wichtigste Altersvors­orge der Einheimisc­hen.

Nach etwa 30 Jahren können sie sie fällen und das Holz verkaufen. Schließlic­h erreichen wir das Dorf Ban Kok San.

Die Kinder folgen uns auf Schritt und Tritt. Ältere Frauen erledigen Gartenarbe­it oder baden Kleinkinde­r, Hühner laufen herum, und Schweine grunzen hinter Bretterver­schlägen. Zwei schwere Mahlsteine zum Zerreiben von Getreide stehen da, betrieben werden sie gerade nicht. Die jüngeren Leute sind noch bei der Feldarbeit, teilt man uns mit.

Es handelt sich um Angehörige des Hmong-Volks. Wie viele Menschen in solchen Dörfern leben, weiß keiner so genau, da in Laos nur die Familien gezählt werden, nicht aber die Personen, deren Anzahl sich schnell ändert. In Ban Kok San wohnen etwa 20 Familien, wenn man das mit sechs multiplizi­ere, komme man in etwa auf die Anzahl der Personen, sagt Kreuzfahrt­direktor Thomas Stukenbrok, ein gebürtiger Ostberline­r, der seit 15 Jahren in Burma lebt und das Dorf im Zug der Schiffsrei­sen öfter besucht.

Anders als die Mehrheit der Laoten sind die Hmong keine Buddhisten, sondern Animisten, sie glauben also an Geister. Während des Vietnam-Kriegs unterstütz­ten sie die USA. Nach dem Krieg wurden sie aus den Bergen an das Ufer des Mekong zwangsumge­siedelt. Ihre mit Stroh gedeckten Holzhäuser errichten sie noch immer so, wie es in den Bergen zweckmäßig wäre: fast fensterlos, um sich gegen den Wind zu schützen. Entspreche­nd heiß ist es drinnen. Elektrizit­ät gibt es nicht. Im

Newspapers in German

Newspapers from Austria