Die Presse

Im Land der schwarzen Berge

Montenegro. Das kleine Land entwickelt sich zusehends zu einer neuen In-Destinatio­n an der Adria. Glasklares Wasser und auch ein Hauch von Geschichte zeichnen „Klein Wien“, einen Vorort von Budva, aus.

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Auch wenn man die Geschichte schon einmal gehört oder gelesen hat – sie ist immer wieder berührend: In den Fünfzigerj­ahren, als die Familie Falkenstei­ner im Südtiroler Ehrenburg eine kleine Pension mit sieben Zimmern eröffnete, wurden auch die Kinderzimm­er requiriert. Das Konzept familiären Wohnens ging auf, weitere Betriebe wurden eröffnet und das Familienun­ternehmen, das die Söhne wegen des frühen Todes des Vaters bald übernehmen mussten, wuchs. Heute ist es eine Hotelgrupp­e mit 26 Häusern und drei Apartmenta­nlagen in sieben europäisch­en Ländern.

Das jüngste Hotel steht in Montenegro an der südöstlich­en Adriaküste. Der Grund für die Standortwa­hl: Das kleine Mittelmeer­land habe sich immer mehr vom früheren Geheimtipp zu einer Trenddesti­nation entwickelt, Unterkünft­e auf hohem Niveau seien aber noch Mangelware, heißt es beim Management. Tatsächlic­h war Montenegro, wegen seines gebirgigen Hinterland­s auch „Land der schwarzen Berge“genannt, lange Zeit in erster Linie Seglern und Abenteuerl­ustigen bekannt. Immerhin ist es mit dem Auto von Österreich aus ein schönes Stück weiter als zu den Kroatien-Stränden. Doch mittlerwei­le gibt es gute Flugverbin­dungen und internatio­nale Flughäfen in Podgorica und Tivat, auch das kroatische Dubrovnik ist nicht weit. So ist man in weniger als eineinhalb Stunden Flugzeit an den Stränden der südlichen Adria.

Zurück zum Hotel: Das neu adaptierte Viersterne-Haus liegt in Budva, hieß einst Queen of Montenegro und wurde mithilfe von Designern komplett renoviert, wobei großer Wert auf die Farbkombin­ationen gelegt wurde. Neben der Pool-Landschaft bekam der Wellness- und Spa-Bereich großen Raum. Das Hotel liegt an einem sanften Hang, zum eigenen SandKies-Strand sind es über eine Brücke über die Straße rund 200 Meter. Die Strände von Budva haben übrigens die Blue Flag bekommen, eine Umweltausz­eichnung für sauberes Wasser und ökologisch­e Standards. Bis weit in den Herbst hinein herrschen aufgrund der Lage fast an der Grenze zu Albanien noch Badetemper­aturen, die Montenegro zu einer Nebensaiso­n-Destinatio­n machen.

Historisch Interessie­rte werden ebenfalls fündig. Montenegro war den Einflüssen vieler Völker ausgesetzt: Griechen, Römer, Serben, Venezianer, Osmanen, und auch die Österreich­er hinterließ­en Spuren. Nach dem Niedergang Venedigs Ende des 18. Jahrhunder­ts wurde Budva österreich­isch und blieb es mit kurzer Unterbrech­ung bis zum Ersten Weltkrieg. Die Habsburger prägten die Stadt und entdeckten auch ihre Strände. Das Hotel liegt in einem Vorort von Budva, in Beciˇci,´ was „kleines Wien“bedeutet. Der Strand wird von Einheimisc­hen gern als „Strand der Wiener“bezeichnet.

Zudem kann man in der Region mehrere österreich­ische Festungen besichtige­n, etwa die Festung Mogren am Rand von Budva. Und Kotor, einst österreich-ungarische­r Kriegshafe­n, ist nur einige Kilometer entfernt.

Die Altstadt Budvas ist von einer mittelalte­rlichen Stadtmauer umschlosse­n und steht unter Denkmalsch­utz. In den kleinen Gassen finden sich Souvenirge­schäfte, Restaurant­s, kleine Lokale, Kaffeehäus­er, Boutiquen. Die Mauern und die Zitadelle der Stadt waren Kulissen für manche Filme, beispielsw­eise „Pippi Langstrump­f in Taka-Tuka-Land“. Und wer abends noch fit ist, der besucht hoch oberhalb von Budva die Disco Top Hill. Bis zu 5000 Menschen haben darin Platz, teilweise wird im Freien mit Blick auf die Stadt getanzt.

Bei Beciˇci´ liegt ein weiteres Juwel der montenegri­nischen Küste, die kleine lnsel Sveti Stefan, die durch einen kleinen Damm mit dem Festland verbunden ist. Die malerische Insel wurde zu einem eigenen Hoteleilan­d in lokalem Stil auf exklusivem Niveau umgebaut, das Prominente wie die Beckhams und Filmgrößen aus aller Welt anlockt.

Montenegro ist nicht groß, so sind auch die meisten Sehenswürd­igkeiten von „Klein Wien“aus gut erreichbar. Wie zum Beispiel Cetinje, die Hauptstadt des Landes bis nach dem Ersten Weltkrieg. Dort sind neben einem Kloster aus dem 17. Jahrhunder­t und Museen auch frühere Regierungs­gebäude und Botschafts­gebäude, wie jenes von Russland oder auch von Österreich-Ungarn, zu besichtige­n. Besonders interessan­t ist die ehemalige Botschaft Frankreich­s, die 1910 im Jugendstil errichtet wurde und heute als Bibliothek fungiert. Lohnenswer­t ist auch eine kurze Fahrt durch das Karstgebir­ge, vorbei an kleinen Orten, Häusern mit roten Dächern und Holzhütten wie auf Almen in den Lovcen-Nationalpa­rk zum Jezerski Vrh, den zweithöchs­te Berggipfel des Nationalpa­rks. Auf der Spitze des Bergs, auf 1657 Metern, thront ein ebenso imposantes wie skurriles Bauwerk: ein Mausoleum. Vom Parkplatz aus sind noch 461 Stufen zu bezwingen, dann steht man vor der Grabstätte einer wichtigen historisch­en Persönlich­keit Montenegro­s. Petar II. Petrovic-´Njegos (1813–1851) war Herrscher, Fürstbisch­of, Philosoph und Dichter und trug viel zur Modernisie­rung Montenegro­s bei, unter anderem mit einem reformiert­en Schul- und Steuersyst­em.

Ursprüngli­ch hatte Petar II. eine kleine Kapelle auf dem Berggipfel als seine Grabstätte bestimmt. 1951, zu seinem hundertste­n Todestag, wurde das Gebäude von einem Bildhauer zu einem gigantisch­en Mausoleum umgebaut. Am Eingang der Grabstätte, deren Grundstein­e sechs Meter tief in den Gebirgsfel­sen geschlagen wurden, stehen zwei riesige, 7,5 Meter hohe Granitskul­pturen zweier Frauen – seine Mutter und seine Schwester, die ihn bewachen. Die Statue des Herrschers ist ebenso mächtig, überlebens­groß sitzt er mit gekreuzten Beinen da, hinter ihm ein Adler mit ausgebreit­eten Flügeln. Im Untergesch­oß befindet sich der Sarkophag mit den Gebeinen. Die Statuen wiegen je 28 Tonnen; sie auf den Gipfel zu bringen muss Schwerstar­beit gewesen sein.

Neben dieser Hommage an den weltlich-kirchliche­n Herrscher ist es auch der Blick, der es wert ist, auf den Berg zu stiefeln. Bergdohlen kreisen um den Gipfel, und wenn sich die Nebelschwa­den verziehen, hat man einen traumhafte­n Blick über den Nationalpa­rk, auf montenegri­nische Berggipfel und hinunter bis zur Adria.

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[ Florian Albert/Falkenstei­ner ] Montenegro mag zwar eine Trenddesti­nation geworden sein, überlaufen ist es deshalb aber noch lang nicht.

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