Die Presse

Grenzgang mit Weitblick und Steinpilz

Oberösterr­eich. Herbstwand­ern bei Bad Leonfelden: Eine Runde durch den Böhmerwald drehen, die mystische Aura verinnerli­chen, nach Tschechien schauen – und am Ziel Lebkuchen essen.

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In Bad Leonfelden hat sich der Nebel des Linzer Beckens fast immer in Luft aufgelöst. In gute, wohlgemerk­t. Rund 35 Kilometer nördlich der oberösterr­eichischen Landeshaup­tstadt, nahe am Böhmerwald, öffnet sich die Landschaft, sodass das Auge weit vom satten Blau des Himmels zum dunklen Grün des Waldes schweift. Bad Leonfelden ist Luftkurort, Lebkuchen-Mekka und Ausgangspu­nkt für zahlreiche markierte Routen für Luft- und Bewegungsf­reudige zu jeder Jahreszeit, entspreche­ndes Schuhwerk und temperatur­orientiert­e Bekleidung vorausgese­tzt.

Der Hauptplatz als Startpunkt – mit Informatio­nstafel und historisch­em Häuserense­mble – liegt auf 750 Metern, die Wanderrout­e „Via Leone“(mit braunroter Markierung) verlässt Bad Leonfelden Richtung Norden. Leicht ansteigend führt der Weg zuerst durch Unterlaimb­ach und dann teils parallel zur Fahrstraße am Waldrand in Richtung Sternstein, der höchsten Erhebung der Region. Die Via Leone ist bis zum „Sternstein-Gipfel“auf 1125 Metern identisch mit dem Europäisch­en Fernwander­weg E6, der von Finnland bis in die Türkei führt und taucht nach dem Aussichtsp­unkt „Lug ins Land“in die geheimnisu­mwobene Atmosphäre des Böhmerwald­s ein. Der bemooste Waldboden neben dem Weg verströmt an Spätherbst- und Wintertage­n sein sattes Aroma, die

Luft ist kühl und feucht und erfrischt Haut, Lunge und Gemüt.

Natürlich kann man plaudernd Richtung Sternstein marschiere­n, die knapp 400 Höhenmeter zum Gipfel sind mit Durchschni­ttskonditi­on leicht zu bewältigen. Man kann sich aber auch bewusst auf den Wald einlassen, akustisch, visuell und mit der Nase. Den würzigen Waldboden erschnuppe­rn und den Duft der Nadelbäume, die Sonnenstra­hlen zwischen den Bäumen verfolgen, die bizarre Muster auf den Moosboden malen, die unterschie­dlichsten Wurzelform­en studieren. Und unversehen­s hat einen die mystische Aura des Böhmerwald­s umschlunge­n.

Hat man den Sternstein erreicht, ist rund ein Drittel der Runde absolviert. Jetzt noch den 20 Meter hohen Turm erklimmen– und der Blick ist frei Richtung Tschechien im Norden. Im Süden und bei klarer Sicht erkennt man Ötscher, Prielkamm und Traunstein. Die Grenze zu Tschechien ist nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt – hier ist auch ein Wandertipp für lange, helle, konditions­starke Sommertage angebracht: 35 Kilometer lang ist die „Salzstraße­nRoute“(blaue Markierung), auf der man vom Sternstein weiter ins Tschechisc­he Visˇsyˇ Brod (Hohenfurt mit dem berühmten Zisterzien­serkloster) und zurück über Studanky´ (Kaltenbrun­n) und den Grenzüberg­ang Schwedensc­hanze wandern kann. Ein Acht-StundenTag mit Grenzerfah­rung in Wanderschu­hen.

Aber zurück zum Sternstein und der Via Leone: Von nun an geht’s bergab – und zwar Richtung Osten vorbei am „Pilzstein“. Ein paar Schritte abseits der Route, und man trifft auf das Ensemble von eigenwilli­g geformten Steinblöck­en. Obelix hätte seine Freude gehabt an diesem überdimens­ionalen Pilz und seinen bemoosten

Gefährten. Nach diesem Abstecher führt ein Wiesenweg vorbei an zwei Bauernhöfe­n und dem Ort Weigetschl­ag in Grenznähe. Dann durchbrich­t ganz kurz Motorenger­äusch die Wanderruhe – die B126 wird überquert, bevor die Route in den Wald einbiegt und man sich auf der Zielgerade­n Richtung Bad Leonfelden befindet.

Etwa auf halber Strecke am rechten Wegesrand macht ein imposanter runder Granitstei­n neugierig. Da steht es in Stein gemeißelt – hier ist die Europäisch­e Wassersche­ide, nach Süden fließt alles Richtung Donau und Schwarzes Meer, nach Norden Richtung Moldau-Elbe-Nordsee. Ein schöner Standpunkt zum Innehalten; mit ein bisschen Fantasie plätschern die Gedanken dem Lauf des Wassers folgend fort bis zur Mündung.

Im gemütliche­n Weitergehe­n durchschre­itet man die Senke der Großen Rodl, hier noch ein gemächlich fließendes Bächlein mit Kursrichtu­ng Donau, bevor es leicht bergan auf breitem Weg nach Bad Leonfelden retour geht. Ein hübscher Anblick sind die alten Apfelbäume entlang des Wegs und von oben, vom offenen Feld, der idyllische Blick auf den Ort mit einer Bank unter dem herbstlich­en Baum.

Auf den letzten Metern der Tour heißt es stark sein, nicht konditione­ll, sondern kaloriente­chnisch. Direkt am Rückweg ins Zentrum kommt man nämlich am bekannten Lebzeltari­um von Bad Leonfelden vorbei, wo diverse Verlockung­en in Backform warten. Aber Versuchung­en soll man ja bekanntlic­h nach Oscar Wilde nicht widerstehe­n, man weiß nie, ob sie wiederkomm­en. In diesem Sinn besser genießen und gleich weitere Routen vormerken: den Moorwald-Erlebniswe­g oder die Sterngartl-Runde, die Salzstraße­nroute oder den Nordwaldka­mmweg.

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[ Ines Klima ] Obelix hätte eine Freude mit dem originelle­n Trumm im Böhmerwald gehabt.

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