Mann mit Berufung
Nachfolge I. Beim Uhrband-Weltmarktführer steht ein sanfter Generationenwechsel bevor. Nikolaus Hirsch und sein Bruder Matthäus wachsen in die Geschäftsleitung hinein.
Wer sich in die Geschichte der Hirsch-Uhrbänder vertieft, dem fällt der japanisch anmutende Zug zur Innovation auf (Stichwort Kaizen, Japanisch für stetige Verbesserung). 1765 als Ledererwerkstatt gegründet, entdeckte Urgroßvater Hans Hirsch 1945 eine Marktlücke. In der ressourcenarmen Nachkriegszeit fand er einen Weg, aus Lederresten Uhrbänder zu fertigen.
Von da an folgte alle paar Jahre eine Neuerung, die gezielt ein Bedürfnis des Marktes aufgriff: fugenlose Verbindungen zwischen Ober- und Unterleder (Fokus Qualität), Verkaufssysteme zum Drehen oder Blättern (Fokus Händlervorteil), das Joint Venture in China (Fokus Zweilinienstrategie: Modebänder günstig in China produzieren, Qualitätsbänder aufwendig in Klagenfurt), Material-Innovationen wie Kautschuk oder Aloe vera (Fokus Sortimentserweiterung und Trends).
Und viel Liebe zum Detail: Mit geübtem Griff löst Junior-Chef Nikolaus seine Rolex vom Handgelenk und zeigt das Band: Oberseite Leder, Unterseite Kautschuk mit Querrillen. „Damit Flüssigkeit abfließen kann“, formuliert er elegant und meint: damit Schweiß auftrocknen kann. Dieses Band ist für subtropische Zonen und für Sportler gemacht: „Wir machen uns über die kleinsten Dinge Gedanken.“
Nicht nur über die kleinsten Dinge. Die eigentliche Aufgabe der jungen Generation ist, das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Als Nikolaus und sein Bruder 2012 die Idee hatten, die vorhandene Technologie auch für Bracelets, also Dekoarmbänder, zu nutzen, ließ der Vater den damaligen WUStudenten freie Hand. „Er sagte: ,Ihr wollt das machen, ihr könnt das machen.‘“
Ganz so einfach war es dann doch nicht, Studium und eigene Firma unter einen Hut zu bringen: „Ausgerechnet als wir gründeten, war Matthäus auf Auslandssemester. Dafür war beim ersten Auftrag ich im Ausland.“
Die Brüder lernten: Man kann nicht überall dabei sein. Und fanden heraus, wo ihre Stärken lagen: Matthäus „hat sich mehr die Zahlen und die Technik angeschaut“, Nikolaus die Produkte kreiert und das Marketing auf die Beine gestellt. Jeder fand seinen Platz.
Die Firma, NiMa Atelier, gibt es heute noch. Ausschließlich online verkauft sie Bracelets und Paycelets, Armbänder mit integrierten Mikro-Bankomatkarten für kontaktloses Bezahlen. Der erste Kunde war niemand Geringerer als die Erste Bank und Sparkasse. Die Juniors waren dem Stammhaus voraus: mit dem ersten Digitalshop und mit den ersten Wearables.
Die wichtigste Lektion des Urgroßvaters war, sich nie auf den Lorbeeren auszuruhen. Auch er, Nikolaus, arbeite immer an mehreren Themen gleichzeitig, sagt Hirsch. Läuft ein Projekt, beginnt er sofort mit dem nächsten. Aktuell ist es die Vermarktung eines Schnellwechselmechanismus. Mit diesem kann der Konsument sein Uhrband selbst tauschen, ohne Werkzeug. Spricht’s und holt wieder seine Rolex vom Handgelenk. Ein Klick und das Band ist unten, ohne Hinschauen. Kinderleicht.
Man ahnt, in welche Richtung es geht: Das Uhrband als modisches Statement. Nikolaus hat seine Berufung gefunden.