„Ich habe die gläserne Decke gespürt“
Porträt. Als Kind träumte Sabine Thaler von einer Karriere im Handel. Nach mehr als 20 Jahren Pionierarbeit im Rewe-Konzern wandte sie sich vom Traumjob jedoch ab. Auch wegen „traditioneller Rollenbilder“.
Das Einkaufserlebnis beim hiesigen Greissler sollte für Sabine Thaler lebensentscheidend werden. Schon als Kind faszinierten die gebürtige Kärntnerin prall gefüllte Warenregale: „Ein Bekannter meiner Eltern hatte ein Adeg-Geschäft“, erzählt die 58-Jährige. „Mir hat das immer schon imponiert, dass die Ware in der richtigen Menge am richtigen Platz liegt.“Für das Studium der Handelswissenschaften zog sie 1985 nach Wien. Das ländliche Leben, sagt sie, hätte sie zwar geprägt. Den Weg zurück sollte sie jedoch nicht wieder finden: „Ich wollte unbedingt immer weg.“
Nach dem Studium stieg sie 1992 bei Billa im Bereich Warenwirtschaft ein. In einer Zeit des Aufbruchs („Eine Filiale nach der anderen wurde aus dem Boden gestampft“) war das Thema Digitalisierung jedoch noch kaum hörbare Zukunftsmusik. Billa allerdings „sah sich selbst als Vorreiter“und preschte voran. Rasant seien PCs aufgestellt und die Filialen mit Scannerkassen ausgestattet worden. Was Thaler stolz macht: „Ich war da von Anfang an dabei.“
Tatsächlich mutet sie heute als eine Pionierin der Branche an: „Von der Zettelwirtschaft“zur digitalen Wende bestritt sie Wege oft als Erste. Als Frau, aber auch als IT-affine Projektmanagerin scheute sie keine Herausforderung: „Ich habe das geliebt. Ich war immer sehr motiviert und engagiert, die
Technik in meinen Alltag zu integrieren.“
Jene Technik, die heute allgegenwärtig ist, damals aber futuristisch anmutete. Denn schon 2000 (nach dem Verkauf an den ReweKonzern 1996) hatte Billa die erste Hightech-Filiale in Purkersdorf eröffnet – Selbstbedienungskassen, sprechende Einkaufswagen sowie elektronische Preisschilder inklusive. Billa war damit seiner Zeit um mehr als ein Jahrzehnt voraus. Ohne dafür wirklich belohnt zu werden: „Der Österreicher ist sehr traditionell. Wir waren damals viel zu früh dran.“
Die Modernisierungen waren dennoch sinnvoll: In 15 Jahren hatte sich die Anzahl der Filialen verdoppelt. 2008 baute Thaler das Projekt- und Prozessmanagement im Konzern auf, dem Thema Nachhaltigkeit („Rewe war der erste mit einem Nachhaltigkeitsbericht“), sowie Sicherheits- und Lagerkonzepten hat sie ebenfalls federführend „zur Geburt verholfen.“
Irgendwann jedoch, nach 22 Jahren im Konzern, sah sie keine Perspektive mehr: „Mir kam vor, dass ich nicht mehr vorankomme.“Traditionelle Rollenbilder und Einstellungen zu Karrierewegen versperrten ihr den Weg: „Ich habe die gläserne Decke gespürt.“Sie wechselte als Geschäftsführerin zu Mediaprint Logistik, später zu Grüne Erde. Und das sehr erfolgreich: Seit der Gründung 1983 war das vergangene Geschäftsjahr das erfolgreichste des oberösterreichischen Öko-Händlers.
In all der Zeit verlassen konnte sich die leidenschaftliche Rennradfahrerin und Läuferin nicht nur auf ihren Ehrgeiz. Sondern auch auf ein dichtes Frauennetzwerk, das sie als ehemalige Co-Präsidentin des European Women’s Management Development und Teilnehmerin des Führungskräfteprogramms Zukunft.Frauen aufbaute: „Für mich war das eine tolle Bereicherung, weil ich Frauen aus vielen verschiedenen Branchen kennengelernt habe“, sagt sie. „Es sind Freundschaften entstanden.“
Eine Position in einem Aufsichtsrat, den die Absolventinnen-Datenbank des Programms ermöglichen soll, nennt sie aber unwahrscheinlich: „In den Aufsichtsräten im Handel ist der Anteil an Frauen so extrem gering, dass es noch viele Schritte braucht, damit man als Frau auch für einen Aufsichtsrat auffällt.“Als Frau brauche es sehr viel Mut und Durchhaltevermögen. Das Netzwerk sei zwar immer da, wenn man Hilfe brauche, „aber entscheiden muss man sich selbst.“