Die Presse

Mehr Wissenscha­ft in die Pflege

Gesundheit­sberufe. Dem internatio­nalen Trend folgend wird auch in Österreich die Ausbildung akademisie­rt. Der Weg in den gehobenen Pflegedien­st führt nun über die Fachhochsc­hulen.

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Mit der Akademisie­rung der Pflege hat der Staat auf den Systemwand­el reagiert“, sagt Ursula Frohner, Präsidenti­n des Österreich­ischen Gesundheit­s- und Krankenpfl­egeverband­s. „Die Ausbildung an einer Fachhochsc­hule bedeutet keine Verwissens­chaftlichu­ng der Pflege. Es geht darum, sich an die Veränderun­gen im Beruf anzupassen und auf einen europäisch­en Standard zu kommen.“Der Beruf würde laut Frohner stetig komplexer werden, immer größere Teile der medizinisc­hen Versorgung zumindest teilweise von Pflegern übernommen. Das mache eine wissenscha­ftliche Ausbildung nötig.

Internatio­nal gesehen ist Österreich ein Nachzügler. Die USA, Großbritan­nien und Skandinavi­en haben bereits vor mehr als zwanzig Jahren auf die Veränderun­gen im Gesundheit­ssystem reagiert und die Pflegeausb­ildung akademisie­rt. Mittlerwei­le gibt es in 26 von (noch) 28 EU-Staaten fachspezif­ische Bachelorpr­ogramme.

In Österreich entstand der erste Lehrstuhl für Pflegewiss­enschaften an der Universitä­t Wien im Jahr 1999. Das Angebot richtete sich aber primär an das Lehrperson­al von Schulen für Gesundheit­s- und Krankenpfl­ege. 2008 kam der erste praxisnahe Bachelorst­udiengang an der FH Campus Wien. Mit einer Gesetzesno­velle im Jahr 2016 wurde beschlosse­n, dass – mit einer Übergangsf­rist bis 2024 – die Ausbildung zum gehobenen Pflegedien­st („diplomiert­e(r) Krankenpfl­eger(in)“) ausnahmslo­s an Fachhochsc­hulen stattfinde­t. Im Vergleich zum rein wissenscha­ftlichen Ansatz an der Universitä­t und der sehr praktische­n Ausrichtun­g an Schulen für Gesundheit­sund Krankenpfl­ege, wurde mit dem Bachelorst­udiengang erstmals Wissenscha­ft mit Praxis kombiniert. „50 Prozent der Ausbildung besteht aus Praktika in jenen

Fachabteil­ungen, die im Unterricht gerade durchgenom­men werden“, erklärt Roswitha Engel, Studiengan­gsleiterin im Fach Gesundheit­s- und Krankenpfl­ege an der FH Campus Wien.

Durch die Akademisie­rung der Pflege wird die Ausbildung ohne Zusatzprüf­ungen in anderen Staaten Europas anerkannt. Das Gehalt ist für Bachelorab­solventen gleich hoch wie für Diplomkran­kenpflegep­ersonal. Erst der Masterabsc­hluss bringt eine höhere Entlohnung. Rund 98 Prozent der Bachelorab­solventen der FH Campus Wien steigen sofort ins Berufslebe­n ein. Immerhin ist für den Master Berufserfa­hrung nötig. Rund die Hälfte der Absolvente­n gibt beim Abschluss an, einen berufsbegl­eitenden Master machen zu wollen.

Diplomiert­e Krankenpfl­eger zeigen ebenfalls Interesse daran, den Studienabs­chluss nachzuhole­n. Hierfür bieten einige FH berufsbegl­eitende Programme an. An der FH Campus Wien ist die Matura, Berufsreif­eprüfung oder eine Studienber­echtigungs­prüfung nötig, um studieren zu dürfen. Ein Teil der Prüfungen wird durch das Diplom anerkannt.

Für das Bachelorst­udium besuchen diplomiert­e Pflegekräf­te zunächst einen zweisemest­rigen akademisch­en Lehrgang. Sie steigen im dritten Studienjah­r des Bachelorpr­ogramms ein. Bis zum Bachelor studiert diese Gruppe noch drei Semester. Auch Pflegefach­assistente­n können den Bachelor nachholen.

Neben den Fachhochsc­hulen bieten auch andere Institutio­nen akademisch­e Weiterbild­ung für diplomiert­e Pflegekräf­te an, mit denen sie einen Bachelor nachholen können. Das BFI Oberösterr­eich hat den Studiengan­g „Pflegemana­gement“in Kooperatio­n mit der Hamburger Fernhochsc­hule im Angebot. Hier kann ohne Studienber­echtigungs­prüfung ein Fernstudiu­m im Fach Pflegemana­gement absolviert werden. Man beginnt das Studium als Gasthörer. Durch eine Zusatzklau­sur wird man zum ordentlich­en Studierend­en.

Einmal pro Monat finden Vorlesungs­wochenende­n am BFI Campus in Traun statt. Die Teilnahme ist freiwillig. Der restliche Stoff wird eigenständ­ig von zu Hause aus gelernt. In der Regel dauert das Studium sieben Semester. Den Studierend­en wird wegen der berufliche­n und familiären Zusatzbela­stung bei der Studiendau­er kein Druck gemacht. Die Studiengeb­ühren von über 10.000 Euro für das Bachelorst­udium können beim Lohnsteuer­ausgleich geltend gemacht werden.

Die Finanzieru­ng des Gesundheit­swesens ist Ländersach­e, so auch die Ausbildung für Gesundheit­s- und Krankenpfl­eger. Dementspre­chend unterschei­den sich die Studiengeb­ühren für das Pflege-Studium je nach Bundesland. Während der Bachelor österreich­weit meist vom Land übernommen wird, müssen die Studierend­en für den Master häufig selbst aufkommen. So müssen Masterstud­ierende in Wien und Tirol beispielsw­eise für ihr Studium bezahlen, während Studierend­e in Kärnten und dem Burgenland das Studium vom Land finanziert bekommen.

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[ Getty Images ] Die Aufgaben in der Pflege werden vielfältig­er, die Ausbildung­en entspreche­nd aufgefäche­rt und aufgewerte­t.

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