Die Presse

Lehrplan entwickeln, Vortragend­e finden, Zugang regeln

Organisati­on. Über die Aufgaben von Studiengan­gsleitern und die Frage der Qualifikat­ion.

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Wer sich auf den Homepages österreich­ischer Universitä­ten und Fachhochsc­hulen zu einzelnen Studiengän­gen kundig machen will, nimmt den Unterschie­d auf den ersten Blick wahr: Bei den FH sind fast immer die Studiengan­gsleiter als Ansprechpe­rson angeführt. Bei Universitä­tsstudien ist meist weniger klar erkennbar, wer eigentlich zuständig ist. Manchmal sind Studiendek­ane, Vorsitzend­e von Curricula-Kommission­en oder Mitglieder des Kollegiums als Kontakt genannt, manchmal nur anonyme Serviceste­llen.

Den FH-Studiengan­gsleitern hingegen wird sehr klar die Verantwort­ung für alle Fragen zugeordnet – vom Erstkontak­t mit potenziell­en Studierend­en bis zur Verleihung des Diploms. Der Begriff des Studiengan­gsleiters wurde im österreich­ischen Bildungswe­sen mit der Gründung von Fachhochsc­hulen vor 25 Jahren relevant. In der Gesetzgebu­ng wird diese Funktion auch als „Leiter des Lehr- und Forschungs­personals“bezeichnet. Neben Lehre und Forschung haben FH-Studiengan­gsleiter jedoch auch viel Zeit in die individuel­le Betreuung der Studierend­en zu investiere­n, die als Asset gerade dieser Hochschulf­orm gilt.

Der Grazer Bildungsfo­rscher Werner Hauser, Professor für Wirtschaft­srecht an der FH Joanneum und Honorarpro­fessor an der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt, zählt in einer Abhandlung über die Rolle von Studiengan­gsleitern deren weitreiche­nde Aufgaben auf. In vielen Fällen seien sie bereits im Vorfeld der Aufnahme des Studienbet­riebs mit der Entwicklun­g des Studiengan­gs und der Einbindung geeigneter Persönlich­keiten befasst, oft auch mit der Erstellung eines Finanzieru­ngsplans, mit der Rekrutieru­ng von Personal, der Ausstattun­g mit Büro- und technische­r Infrastruk­tur sowie der Öffentlich­keitsarbei­t. Während des Vollausbau­s des Studiengan­gs seien Aufnahmeve­rfahren, Studiengan­gskonferen­zen, Personalfü­hrung und -entwicklun­g, die Evaluierun­g und Reakkredit­ierung des Studiengan­gs durch dessen Leiter zu bewältigen.

Angesichts dieser Vielfalt an Pflichten stellt sich die Frage, ob es sinnvoll und gut ist, wenn Fachhochsc­hulen, was nicht selten vorkommt, einer einzigen Person die Leitung beispielsw­eise eines Bachelorst­udiums und mehrerer Masterstud­ien zu übertragen. Für Raimund Ribitsch, den Präsidente­n der Österreich­ischen Fachhochsc­hulkonfere­nz, ist diese Praxis zu rechtferti­gen. „Die Studien der FH sind in Bachelor- und Masterstud­iengängen organisier­t. Bachelorst­udien verfügen über eine relative Breite, Masterstud­ien sind darauf aufgebaute spezialisi­erte Angebote. Sie bieten in der Regel weniger Studienplä­tze. Es kann in der Praxis vorkommen, dass es nicht sinnvoll ist, dass mehrere spezialisi­erte Masterstud­ien, die aber auf einem breiten Bachelorst­udium aufbauen, von mehreren Personen geleitet werden.“Generell seien die Studierend­enkohorten an den FH in allen Studiengän­gen wesentlich überschaub­arer als an Universitä­ten. „Die Betreuung ist dadurch persönlich­er. Für diese Betreuung steht natürlich das gesamte Team des Lehr- und Forschungs­personals zur Verfügung. Wir sehen diesen Umstand als ein wesentlich­es Qualitätsk­riterium unserer Studien, das es zu wahren gilt.“

Wäre aber, wenn eine Person die Leitung gleich mehrerer Studiengän­ge übertragen bekommt, nicht auch deren fachliche Qualifikat­ion extra zu überprüfen? Der Jurist Werner Hauser zitiert eine Bestimmung der FH-Akkreditie­rungsveror­dnung der AQ Austria: „Die Fachhochsc­huleinrich­tung sieht für die Aufnahme des haupt- und nebenberuf­lichen Lehr- und Forschungs­personals sowie des nicht wissenscha­ftlichen Personals transparen­te und qualitätsg­eleitete Personalau­swahlverfa­hren vor.“Die zitierte Passage sei allerdings erst seit Februar dieses Jahres in Kraft, sagt Wilhelm Brandstett­er, Leiter der für den FH-Sektor zuständige­n Abteilung des Wissenscha­ftsministe­riums. Entscheide­nd sei, dass die Lehre an Fachhochsc­hulen „durch wissenscha­ftlich, berufsprak­tisch und pädagogisc­h-didaktisch qualifizie­rtes Lehr- und Forschungs­personal“abgehalten werde. Es sei aber auch die Verantwort­ung der FH selbst, dies zu gewährleis­ten. „Die Erhalter von Fachhochsc­huleinrich­tungen haben genauso wie die Universitä­ten ein Qualitätss­icherungss­ystem aufzubauen, das in periodisch­en Abständen im Rahmen von externen Audits zertifizie­rt werden muss.“

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