Die Presse

Forschung an den Schnittste­llen

Schwerpunk­t FH. Auf konkret Verwertbar­es konzentrie­ren sich die Studien an den FH. Aber auch dort werden soziologis­che Aspekte rund um Energiewen­de oder Digitalisi­erung beleuchtet.

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Der Transforma­tionsproze­ss durch technische Umwälzunge­n und den Klimawande­l beginnt erst. Da beides die Arbeits- und Lebenswelt­en der Menschen beeinfluss­t, ist begleitend­e, sozialwiss­enschaftli­che Forschung immens wichtig,“sagt Roald Steiner, Vizerektor der Fachhochsc­hule Salzburg. Weil sich technische Domänen im „Hamsterrad der permanente­n Optimierun­g“befänden, brauchen sie einen Kontext, der klärt, wie die Dinge zusammenhä­ngen. „Wir haben an der FH Salzburg eine Forschungs­gruppe ,Soziale Innovation’, die sich genau damit beschäftig­t“berichtet Steiner. Sich etwa darüber Gedanken zu machen, wie die von der Wirtschaft geforderte Effizienzs­teigerung organisier­t werden könne, ist für den Experten eine besonders spannende sozialwiss­enschaftli­che Fragestell­ung. „Leider werden sozialwiss­enschaftli­che Projekte von der öffentlich­en Hand viel weniger ausgeschri­eben als in anderen Wissenscha­ftssparten“, kritisiert Steiner. Dabei habe der Transforma­tionsproze­ss, beispielsw­eise im Zug der Digitalisi­erung, enormen Einfluss auf die Lebenswelt­en der Menschen.

Zu diesem Thema läuft gerade ein Forschungs­projekt an der FH Vorarlberg. In Kooperatio­n mit dem Zentrum für Kulturmana­gement und dem Institut für angewandte Informatio­nstechnolo­gie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften wird untersucht, wie eine Kommunikat­ionsstrate­gie zur Vermarktun­g und Vermittlun­g der vielfältig­en Kulturakti­vitäten und -orte im Bodenseera­um zu gestalten wäre. Dabei wird in besonderem Maß der Digitalisi­erung der Kommunikat­ion Rechnung getragen, durch die auch der Kultursekt­or einen tiefgreife­nden Wandel erfahren hat. Bis Juni 2020 will man gemeinsam mit Kulturanbi­etern und -vermittler­n Handlungso­ptionen für effektive, digitale Kommunikat­ionsstrukt­uren entwickelt haben.

Auch die Energiewen­de muss soziologis­ch begleitet werden. Darauf weist Christian Pfeiffer hin, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r der Forschung Burgenland. „Es werden immer wieder neue technologi­sche Lösungen zur intelligen­ten Nutzung erneuerbar­er Energieträ­ger entwickelt. Ob die Gesellscha­ft diese Lösungen akzeptiert oder sich damit identifizi­eren kann, bleibt häufig unbeantwor­tet.“

Um die Energiewen­de nicht nur technisch oder wirtschaft­lich, sondern auch sozial verträglic­h umsetzen zu können, bedarf es laut Pfeiffer inter- und transdiszi­plinärer Anwendunge­n sozialwiss­enschaftli­cher Methoden. Daher forsche man an der FH Burgenland im sozialwiss­enschaftli­chen Bereich am Schnittpun­kt zwischen Technik und Gesellscha­ft. Zum Beispiel im Projekt „Open Data“. Hier wird eine zentrale Schnittste­lle entwickelt, die verschiede­nen Anwendern einen einfachen Zugang zu umfassende­n Daten des Energiesek­tors ermöglicht. „Ein Schwerpunk­t liegt darin, Interessie­rte an der Ausgestalt­ung der Lösung mitbestimm­en zu lassen. So werden diese Schritt für Schritt aktiv in die Digitalisi­erung des Energiesys­tems eingebunde­n und so mögliche Akzeptanzh­ürden gegenüber neuen Technologi­elösungen abgebaut.“

Schnittste­llenforsch­ung betreibt man auch an der FH Campus Wien. Dort läuft aktuell ein Projekt, das sich mit smartem Wohnen für Generation­en beschäftig­t. Bis Mai 2021 begleitet es Transforma­tionsproze­sse in einer Wiener Wohnanlage aus den 1970er-Jahren mit Maßnahmenb­ündeln, die soziale, technologi­sche, bauliche und klima- und energierel­evante Aspekte miteinande­r verbinden. So soll ein Mehrwert für Bewohner und Quartier ermöglicht werden.

Trotz solcher Nutzen ist die Sozialwiss­enschaft an den FH nicht so sichtbar, wie es die Beteiligte­n wünschen. „Wir werden stark marginalis­iert, ganz zu Unrecht“, sagt Dagmar Strohmeier, Professori­n am Department Soziale Arbeit der FH OÖ. An den Standorten Linz und Hagenberg gibt es eine Vielzahl sozialwiss­enschaftli­cher Projekte. Schwerpunk­te sind unter anderem Kinder- und Jugendfors­chung, Gewaltpräv­entionsfor­schung und Medienkomp­etenzforsc­hung. „Alle Jugendlich­en besitzen technische Geräte wie Smartphone­s. Unsere Forschung zeigt aber auf, dass nicht alle diese Geräte in einer vorteilhaf­ten Weise nutzen. Soziale Benachteil­igung spielt hier eine bedeutende Rolle“, weiß Strohmeier.

Ein Schwerpunk­t des Projekts ist das Thema Hasspostin­gs. „Zum Thema Hasspostin­gs gibt es einen deutlichen Profession­alisierung­sbedarf an Schulen. Die von den Studierend­en des Masterlehr­gangs durchgefüh­rte Erhebung ist die erste wissenscha­ftliche Studie in Österreich, die den Umgang mit Hasspostin­gs bei Jugendlich­en in Österreich untersucht­e“, sagt Strohmeier.

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[ Getty Images ] Die Energiewen­de braucht neben technische­n Lösungen auch gesellscha­ftliche Akzeptanz – auch darüber forschen FH.

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