Die Presse

Diese Woche neu: Fachkräfte

Gesucht und kaum gefunden. In unserer neuen Serie rücken wir jene Berufsfeld­er in den Fokus, in denen es an Fachkräfte­n mangelt.

- VON ANDREA LEHKY

Die Schule war nicht so ihres. Obwohl Claudia Pikiokos (17) sich redlich bemühte. Es interessie­rte sie einfach nicht. Viel lieber wollte das handwerkli­ch begabte Mädchen etwas „mit den Händen“tun, wo man „nachher etwas sieht“.

Sie war fast 17 Jahre, als sie – mitten unterm Jahr – eine Lehre zur Maurerin und Schalungsb­auerin begann. Bei Porr wird sie dafür nun als einzige Frau in Wien ausgebilde­t. Österreich­weit gibt es einige. „Nur unter Männern“zu sein war „nur am Anfang komisch“. Probleme, die sie erwartet hatte, blieben aus. „Wir werden alle gleich behandelt“, sagt sie und „wir schauen aufeinande­r. Wenn jemand Hilfe braucht, gehe ich hin und packe an. Und umgekehrt.“

Ihre Lernunlust hat sich in Luft aufgelöst, „weil ich jetzt mache, was mich wirklich interessie­rt. Ich will das unbedingt. Deswegen strenge ich mich an.“Souverän kurvt sie auf einer Baustelle am Rathauspla­tz mit der Scheibtruh­e herum, mauert, schalt, macht Estrich und setzt Türen ein. Ja, das kann anstrengen­d sein, aber „die Männer schaffen das ja auch.“ Digital fit heißt sicherer Job

Noch etwas gefällt ihr: Zu Beginn des zweiten Lehrjahrs bekommt sie ein Tablet, samt Zubehör und Bau-Applikatio­nen, mit Schulung und Schritt-für-Schritt-Anleitung. Das Tablet braucht sie in der Berufsschu­le und zur Vorbereitu­ng auf die Lehrabschl­ussprüfung genauso wie auf der Baustelle, wo es in die EDV ihres Lehrbetrie­bs eingebunde­n ist.

Anfangs erleichter­t es vor allem das Administra­tive: „Früher wurden die Tagesberic­hte in ein Büchlein geschriebe­n“, beschreibt Michael Heissenber­ger, Leiter der Lehrlingsa­usbildung bei Porr. Jetzt werden die digital erfasst und können vom Polier bis zum Ausbildung­sleiter eingesehen werden.

Die Lehrlinge lernen aber auch etwa digitale Vermessung, elektronis­ches Datenmanag­ement und das Prüfen von Vorleistun­gen.

Das Tablet ist nur ein Baustein des Projekts „Baulehre 2020“der Bundesinnu­ng Bau und des Fachverban­ds der Bauindustr­ie. Es geht Hand in Hand mit anderen Vorhaben, die Baulehre zu digitalisi­eren. Ziel sind zukunftsfi­t und digital ausgebilde­te Fachkräfte, damit die heimische Baubranche dem internatio­nalen Wettbewerb standhält.

Online unterstütz­en dabei zwei Websites. Wer sich erst über die Berufe im Baugewerbe informiere­n will, findet Passendes unter baudeinezu­kunft.at. Wer schon eingestieg­en ist und sich für Berufsschu­le oder Lehrabschl­ussprüfung vorbereite­n will, wird auf e-baulehre.at fündig. Hier hat Heissenber­ger „selbst ein bisschen mitgearbei­tet“.

Gemeinhin werden duale Ausbildung­en mit Berufsschu­le und Lehrstelle assoziiert.

Hier gibt es mehr. Das dritte Standbein ist die BAUAkademi­e, in der alle heimischen Lehrlinge jährlich nochmal drei bis fünf Wochen praktisch ausgebilde­t werden. Porr verfügt noch über ein viertes Standbein: Im eigenen Campus in Simmering bekommen die Lehrlinge jährlich drei Wochen Training für interne Spezialbed­ürfnisse: „Sicherheit oder die neuesten Schalungss­ysteme – unsere Lehrlinge sollen die bestausgeb­ildeten sein.“ Neue Wahlmöglic­hkeiten

Bereits mit 1. Jänner 2020 tritt eine neue Ausbildung­sverordnun­g in Kraft, mit der die dreijährig­en Lehrberufe umgestalte­t werden. Und umbenannt, wie Lehrlingse­xperte Robert Frasch weiß: „Maurer“heißt dann „Hochbau“, „Schalungsb­au“wird „Betonbau“, nur „Tiefbau“bleibt „Tiefbau“. „Damit folgt man internatio­nalen Vorgaben“, sagt Frasch, „es signalisie­rt auch die neue Aus

richtung der Berufe.“Deren Image nicht mehr zeitgemäß war, setzt er hinzu.

Neu sind auch die vierjährig­en Kaderlehrb­erufe im Bauwesen. Hier werden jeweils zwei Lehrberufe kombiniert ausgebilde­t. Je nach den besonderen Anforderun­gen des Lehrbetrie­bs gibt es ab dem dritten Lehrjahr zusätzlich wählbare Schwerpunk­te: Hochbauspe­zialist: Lehrberufe Hochbau und Betonbau, Schwerpunk­te Neubau oder Sanierung;

Betonbausp­ezialist: Lehrberufe Betonbau und Hochbau, Schwerpunk­te Stahlbeton-Hochbau oder konstrukti­ver Betonbau; Tiefbauspe­zialist: Lehrberufe Tiefbau und Hochbau, Schwerpunk­te Verkehrswe­gebau oder Siedlungsw­asserbau oder Baumaschin­enbetrieb.

In der Umsetzung steigt man aufs Gas. Ab 1. Jänner 2020 können neue Lehrverträ­ge nur mehr nach der neuen Ausbildung­sordnung abgeschlos­sen werden. Nur für den alten Lehrberuf Maurer gibt es eine Übergangsf­rist bis zum 31. Dezember 2022, in der sich Betriebe zwischen alter und neuer Ausbildung entscheide­n können. Laufende Lehrverträ­ge können grundsätzl­ich auf die neue Ordnung upgegradet werden.

Ebenfalls neu: Ab dem 4. Lehrjahr erhalten alle Bau-Lehrlinge 90 Prozent des Facharbeit­erlohns als Lehrlingse­ntschädigu­ng. Bisher galt das nur für Doppellehr­en.

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[ Caio Kauffmannn ] Souverän zwischen Mischmasch­ine und Scheibtruh­e: Claudia Pikiokos, künftige Maurerin und Schalungsb­auerin. Oder neu: Hochbauspe­zialistin.

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