Diese Woche neu: Fachkräfte
Gesucht und kaum gefunden. In unserer neuen Serie rücken wir jene Berufsfelder in den Fokus, in denen es an Fachkräften mangelt.
Die Schule war nicht so ihres. Obwohl Claudia Pikiokos (17) sich redlich bemühte. Es interessierte sie einfach nicht. Viel lieber wollte das handwerklich begabte Mädchen etwas „mit den Händen“tun, wo man „nachher etwas sieht“.
Sie war fast 17 Jahre, als sie – mitten unterm Jahr – eine Lehre zur Maurerin und Schalungsbauerin begann. Bei Porr wird sie dafür nun als einzige Frau in Wien ausgebildet. Österreichweit gibt es einige. „Nur unter Männern“zu sein war „nur am Anfang komisch“. Probleme, die sie erwartet hatte, blieben aus. „Wir werden alle gleich behandelt“, sagt sie und „wir schauen aufeinander. Wenn jemand Hilfe braucht, gehe ich hin und packe an. Und umgekehrt.“
Ihre Lernunlust hat sich in Luft aufgelöst, „weil ich jetzt mache, was mich wirklich interessiert. Ich will das unbedingt. Deswegen strenge ich mich an.“Souverän kurvt sie auf einer Baustelle am Rathausplatz mit der Scheibtruhe herum, mauert, schalt, macht Estrich und setzt Türen ein. Ja, das kann anstrengend sein, aber „die Männer schaffen das ja auch.“ Digital fit heißt sicherer Job
Noch etwas gefällt ihr: Zu Beginn des zweiten Lehrjahrs bekommt sie ein Tablet, samt Zubehör und Bau-Applikationen, mit Schulung und Schritt-für-Schritt-Anleitung. Das Tablet braucht sie in der Berufsschule und zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung genauso wie auf der Baustelle, wo es in die EDV ihres Lehrbetriebs eingebunden ist.
Anfangs erleichtert es vor allem das Administrative: „Früher wurden die Tagesberichte in ein Büchlein geschrieben“, beschreibt Michael Heissenberger, Leiter der Lehrlingsausbildung bei Porr. Jetzt werden die digital erfasst und können vom Polier bis zum Ausbildungsleiter eingesehen werden.
Die Lehrlinge lernen aber auch etwa digitale Vermessung, elektronisches Datenmanagement und das Prüfen von Vorleistungen.
Das Tablet ist nur ein Baustein des Projekts „Baulehre 2020“der Bundesinnung Bau und des Fachverbands der Bauindustrie. Es geht Hand in Hand mit anderen Vorhaben, die Baulehre zu digitalisieren. Ziel sind zukunftsfit und digital ausgebildete Fachkräfte, damit die heimische Baubranche dem internationalen Wettbewerb standhält.
Online unterstützen dabei zwei Websites. Wer sich erst über die Berufe im Baugewerbe informieren will, findet Passendes unter baudeinezukunft.at. Wer schon eingestiegen ist und sich für Berufsschule oder Lehrabschlussprüfung vorbereiten will, wird auf e-baulehre.at fündig. Hier hat Heissenberger „selbst ein bisschen mitgearbeitet“.
Gemeinhin werden duale Ausbildungen mit Berufsschule und Lehrstelle assoziiert.
Hier gibt es mehr. Das dritte Standbein ist die BAUAkademie, in der alle heimischen Lehrlinge jährlich nochmal drei bis fünf Wochen praktisch ausgebildet werden. Porr verfügt noch über ein viertes Standbein: Im eigenen Campus in Simmering bekommen die Lehrlinge jährlich drei Wochen Training für interne Spezialbedürfnisse: „Sicherheit oder die neuesten Schalungssysteme – unsere Lehrlinge sollen die bestausgebildeten sein.“ Neue Wahlmöglichkeiten
Bereits mit 1. Jänner 2020 tritt eine neue Ausbildungsverordnung in Kraft, mit der die dreijährigen Lehrberufe umgestaltet werden. Und umbenannt, wie Lehrlingsexperte Robert Frasch weiß: „Maurer“heißt dann „Hochbau“, „Schalungsbau“wird „Betonbau“, nur „Tiefbau“bleibt „Tiefbau“. „Damit folgt man internationalen Vorgaben“, sagt Frasch, „es signalisiert auch die neue Aus
richtung der Berufe.“Deren Image nicht mehr zeitgemäß war, setzt er hinzu.
Neu sind auch die vierjährigen Kaderlehrberufe im Bauwesen. Hier werden jeweils zwei Lehrberufe kombiniert ausgebildet. Je nach den besonderen Anforderungen des Lehrbetriebs gibt es ab dem dritten Lehrjahr zusätzlich wählbare Schwerpunkte: Hochbauspezialist: Lehrberufe Hochbau und Betonbau, Schwerpunkte Neubau oder Sanierung;
Betonbauspezialist: Lehrberufe Betonbau und Hochbau, Schwerpunkte Stahlbeton-Hochbau oder konstruktiver Betonbau; Tiefbauspezialist: Lehrberufe Tiefbau und Hochbau, Schwerpunkte Verkehrswegebau oder Siedlungswasserbau oder Baumaschinenbetrieb.
In der Umsetzung steigt man aufs Gas. Ab 1. Jänner 2020 können neue Lehrverträge nur mehr nach der neuen Ausbildungsordnung abgeschlossen werden. Nur für den alten Lehrberuf Maurer gibt es eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2022, in der sich Betriebe zwischen alter und neuer Ausbildung entscheiden können. Laufende Lehrverträge können grundsätzlich auf die neue Ordnung upgegradet werden.
Ebenfalls neu: Ab dem 4. Lehrjahr erhalten alle Bau-Lehrlinge 90 Prozent des Facharbeiterlohns als Lehrlingsentschädigung. Bisher galt das nur für Doppellehren.