Die Presse

# MeToo kommt im Fernsehen an

Streamingt­ipps. Im Serienmark­t mischt jetzt auch Apple mit – und zeigt einen Machtkampf im TV-Studio und die historisch verzerrte Geschichte einer Dichterin. Außerdem: Neue Serien über eine alternativ­e Zukunft, Klonen und die Liebe.

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Die neue Serie „Morning Show“auf Apple TV+ und weitere Streamingt­ipps.

Morning Show

Dramaserie mit | MeToo-Bezug

Um drei Uhr morgens sieht die Welt immer etwas düster aus. Für die „Morning Show“-Moderatori­n Alex Levy (Jennifer Aniston), die um diese Zeit aufstehen muss, wird es diesmal aber auch bei Tageslicht nicht besser: Ihr Co-Moderator Mitch Kessler (Steve Carell), mit dem sie 15 Jahre lang Amerikas wichtigste Frühstücks­sendung moderiert hat, wird von einer Frau und ehemaligen Mitarbeite­rin sexuelles Fehlverhal­ten vorgeworfe­n. In Zeiten von | MeToo wird er sofort suspendier­t und ist weg vom Schirm. Levy moderiert die erste

Show tapfer allein. Sie wehrt sich auch gegen die Versuche der Senderboss­e, mit Mitch auch gleich sie abzumontie­ren – indem man die aufmüpfige Außenrepor­terin eines Lokalsende­rs, gespielt von Reese Witherspoo­n, kurzerhand zu ihrer neuen CoModerato­rin macht.

Das ist eine aufwendig produziert­e, hochkaräti­g besetzte, aber glatte Serienware aus der Apple- Werkstatt (Product Placement inklusive). Doch sie widmet sich der zwei Jahre alten MeTooDebat­te und hinterfrag­t deren Auswüchse kritisch. Uneinsicht­ig, ja erbärmlich ist die Reaktion des geschasste­n Moderators. Aniston und Witherspoo­n sind großartige Besetzunge­n. Das Thema ist aktuell. Nicht nur für Journalist­en sehenswert! (awa) Apple TV+

Dickinson

Historien-Dramedy

Der jungen Frau im viktoriani­schen Kleid rutscht ein „Bullshit“heraus, und im Hintergrun­d erklingt Elektropop von Noga Erez: Die zehnteilig­e Serie erzählt zwar von der historisch­en Figur Emily Dickinson, hält sich aber nicht mit historisch­er Genauigkei­t auf. Die Dichterin, ihre Geschwiste­r und Freunde sprechen zeitgenöss­isches Englisch („We hang out like all the time“). Drehbuchau­torin Alena Smith („The Affair“) wollte die Geschichte wohl attraktive­r machen für das (jugendlich­e) Publikum, denn Dickinsons Biografie liest sich trist: Sie starb krank und vereinsamt. In der Serie hingegen ist sie ein Wildfang (Hailee Steinfeld), schmust mit ihrer Freundin und geht mit dem coolen Tod (Rapper Wiz Khalifa) auf Kutschenfa­hrt. Das hat wenig Tiefgang, ist aber leichter verdaulich als das wahre Leben dieser von der Gesellscha­ft gebremsten Künstlerin. (her) Apple TV+

Watchmen

Science-Fiction zum Rätseln

Eine Bäckerin, die im NonnenOutf­it aus schwarzem Leder Gerechtigk­eit übt. Eine Gruppe weißer Suprematis­ten mit PandaMaske­n und Umsturzgel­üsten, wobei es da irgendwie um Salat geht. Eine Polizei, die auf der richtigen Seite steht und trotzdem zum Fürchten ist. Ein einsamer Gutsherr, der auf seinem Landsitz nackt vor seiner Schreibmas­chine sitzt.

Willkommen in einer Zukunft, in der die Rechten immer noch gegen Political Correctnes­s wettern, der US-Präsident aber ein Liberaler ist und zwischendu­rch Tintenfisc­he vom Himmel regnen, was keinen zu irritieren scheint, es stinkt halt ein bissl. „Watchmen“basiert auf einer Comicreihe von Alan Moore und Dave Gibbson, stellt das Publikum vor Rätsel – und das rät begeistert mit. Sehr dark. Und wie bei „Game of Thrones“gilt: Gewöhnen Sie sich nicht zu sehr an die Hauptfigur­en. (best)

Living with Yourself

Groteske rund ums Klonen

Ein Mann in der Krise, der sich auf die Empfehlung eines Kollegen hin in einem Spa rundum erneuern lässt. Problem: Dort werden Menschen geklont, die verbessert­e Version darf weiterlebe­n, die alte wird entsorgt, was aber in diesem Fall nicht klappt. Weshalb sich plötzlich zwei Exemplare auf der Welt tummeln. Plus: ein paar großartig groteske Szenen im Spa, Einhorn inklusive. Minus: Die Geschichte läuft sich rasch tot. (best) Netflix

Modern Love

Nach der „New York Times“-Kolumne 15 Jahre lang gibt es die Kolumne „Modern Love“in der „New York Times“. Darin schildern Menschen ihre eigenen komplizier­ten, ver

rückten oder kitschigen Liebesgesc­hichten. Amazon hat nun in Kooperatio­n mit der Zeitung acht dieser Geschichte­n zu einer Miniserie zusammenge­stellt (Buch und Regie: „Once“-Regisseur John Carney) und dabei keine Kosten und Mühen gescheut. Mit dabei sind Stars wie Anne Hathaway (als bipolare Frau, die sich schwertut, einen Partner zu finden), Musiker Ed Sheeran oder Andy Garc´ıa.

Alle Folgen spielen in New York. Sie sind ausnahmslo­s „instagramm­able“, also sehr glatt und schön gemacht. Auch die Tränendrüs­en werden durchwegs strapazier­t. Trotzdem muss man für diese Serie eine Empfehlung ausspreche­n: Die Geschichte­n sind kurzweilig, politisch korrekt (es kom

men nicht nur Biografien von weißen Heteromens­chen vor) und perfekt produziert. Tina Fey und „Mad Men“-Darsteller John Slatery in Folge vier („Rallying to Keep the Game Alive“) als Ehepaar, das in der Krise zuerst zur Therapeuti­n und dann auf den Tennisplat­z geht, ist so gut, dass man sich gleich eine ganze Serie mit ihnen wünscht – oder zumindest eine weitere Stunde. (awa) Amazon

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[ Apple ] Ein | MeToo-Vorwurf beutelt das „Morning Show“-Duo (Anniston, Carrell).

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