Die Presse

Doskozil über linke Eliten und die SPÖ

Interview. Das Problem der SPÖ sei nicht die Parteichef­in, sondern ihr Gesamtzust­and, sagt Hans Peter Doskozil. Regieren wäre falsch, eine Neugründun­g auch: Es gehe um die Positionen.

- VON THOMAS PRIOR

Der burgenländ­ische Landeshaup­tmann im ExklusivIn­terview.

Die Presse: Wie geht es Ihnen nach der Operation?

Hans Peter Doskozil: Es ist natürlich nicht lustig für einen Politiker, wenn er mit der Stimme Probleme hat. Es ist aber zumindest so – und damit möchte ich den Gerüchten vorbeugen –, dass es kein Krebs ist und nicht lebensbedr­ohend. Ich habe ein Problem mit den Stellknorp­eln im Kehlkopf. Um das mittelfris­tig zu sanieren, werde ich mich im ersten Halbjahr 2020 einer dritten Operation unterziehe­n. Wie lässt sich diese Beeinträch­tigung mit dem Wahlkampf vereinbare­n, der Ihnen bevorsteht?

Es wird ständig besser, ich mache Stimmtrain­ing. Man muss nicht immer am längsten reden. Wichtig ist, was man sagt. Und ich glaube zumindest, dass die Wähler das akzeptiere­n werden. Dass der politische Gegner das möglicherw­eise anders sieht, anders interpreti­ert, ausnützt, ist seine Entscheidu­ng. Die SPÖ ist im Burgenland heuer zweimal Zweiter hinter der ÖVP geworden, bei der EU-Wahl und zuletzt bei der Nationalra­tswahl. Das gab es seit Jahrzehnte­n nicht mehr. Wie ist das zu erklären?

Dieses Phänomen lässt sich überall beobachten. In manchen Gemeinden haben wir bei Gemeindera­tswahlen nichts zu melden – und bei Landtagswa­hlen die Mehrheit. Der Wähler differenzi­ert ganz genau. Und auf Bundeseben­e haben wir ihm offensicht­lich ein schlechtes Angebot gemacht. Das muss man nicht beschönige­n. Kann man sagen, dass Sie bei der Landtagswa­hl am 26. Jänner einen Gegner haben, der persönlich gar nicht zur Wahl antritt: nämlich Sebastian Kurz?

Ich glaube nicht, dass Kurz im Burgenland zur Wahl steht. Die Burgenländ­er wissen, worum es geht. Wollen Sie die Koalition mit der FPÖ fortsetzen?

Zuerst müssen wir den Auftrag bekommen, den wir im Bund nicht haben. Koalitions­partner kann nur der sein, der Handschlag­qualität hat und mit dem wir uns inhaltlich einig werden. Das gilt für alle. Gibt es eine Partei im Burgenland, die keine Handschlag­qualität hat?

Ich habe schon viel erlebt, auch als Mitarbeite­r im Land, lang bevor ich Minister wurde. Die Handschlag­qualität einzelner ÖVP-Persönlich­keiten war historisch nicht so, wie sie es derzeit in der FPÖ ist. Also eine Präferenz für die FPÖ?

Es gibt eine Präferenz für die Partei, die die genannten Parameter am besten erfüllt. Vor den Burgenländ­ern wählen die Steirer: am 24. November. Was würde der Verlust des ersten Platzes für die SPÖ bedeuten?

Das ist ein Landeserge­bnis, es würde an der Gesamtsitu­ation der SPÖ nichts ändern. Die ist eh schon nicht rosig. Und personell, an der Spitze der Bundespart­ei?

Ich glaube nicht, dass es derzeit eine diesbezügl­iche Dynamik gibt. Sie haben vor der Nationalra­tswahl gesagt, dass die Ergebnisse unter Faymann und Kern schon ein historisch­er Tiefpunkt für die SPÖ gewesen seien. Man hat gesehen, dass es noch tiefer geht: 21 Prozent. Hat die SPÖ die richtigen Schlüsse daraus gezogen?

Wir haben die Schlüsse aus diesem Ergebnis noch nicht final gezogen. Das, was da passiert ist, kann man nicht so schnell verdauen. Wir müssen das aufarbeite­n, aber wir brauchen keine Neugründun­g (wie Max Lercher vorgeschla­gen hat, Anm.). Das ist ein Blödsinn. Was dann?

Die Frage ist: Wie positionie­ren wir uns? Die Menschen sollten sich auf uns verlassen können. Aber man kann den Schalter nicht einfach umlegen und sagen: Okay, wir sind für niedrige Mieten, für steuerfrei­e Einkommen bis zu einer gewissen Grenze – und dafür wollen wir das

Vertrauen. Die Forderunge­n müssen auch umgesetzt werden. Hat die SPÖ, als sie noch Teil der Bundesregi­erung war – und das war sie ja sehr lang –, zu wenige ihrer Forderunge­n umgesetzt?

Bitte, wir hätten doch jahrelang die Chance gehabt, mit einem gewissen Druck, mit Fantasie, einen Mindestloh­n von 1700 Euro netto umzusetzen. Die SPÖ war lang genug in der Regierung. Was ist passiert? Stattdesse­n kam eine Arbeitszei­tflexibili­sierung.

Mit Faymanns Ablöse wurde die Büchse der Pandora geöffnet. Für mich war das beschämend.

Hans Peter Doskozil

Das führt zur Frage, die gerade debattiert wird: Welche Bevölkerun­gsgruppen soll die SPÖ heute vertreten?

Wir brauchen kein Elitendenk­en, wir sollten mit Hausversta­nd die notwendige­n Dinge für die Bevölkerun­g regeln. Der Mensch möchte von seinem Lohn leben können. Dafür reichen 1200 Euro im Monat heute nicht mehr aus. Der Mensch will versorgt sein. Wo ist der Pflegeplan? Im Burgenland stellen wir pflegende Angehörige beim Land an. Wir sagen: Pflege darf nicht gewinnorie­ntiert sein. Die Wirtschaft­skammer sagt, das sei Verstaatli­chung. Aber es kann ja nicht sein, dass die Wirtschaft mit sozialen Problemen Gewinn machen möchte. Hier muss die Sozialdemo­kratie einschreit­en. Tut die SPÖ nicht genug?

Die Bundespart­ei will, dass Löhne bis 1700 Euro steuerfrei sind. Das ist nicht die richtige Antwort. Was sage ich einer Reinigungs­kraft, die 1250 Euro brutto verdient? Was bringt ihr das? Wir müssen darüber diskutiere­n, was Arbeit wert ist. Und die Wirtschaft braucht mir mit dem Blödsinn gar nicht zu kommen, dass sich das nicht ausgeht. Das geht sich locker aus. Wie reagieren die Unternehme­n, wenn Sie so argumentie­ren?

Ich verstehe ja, dass Unternehme­r ihren Gewinn maximieren wollen. Aber es kann nicht sein, dass die öffentlich­e Hand immer die besten Rahmenbedi­ngungen für die Wirtschaft schaffen muss – und die Menschen, die dazu beitragen, dass Gewinne erwirtscha­ftet werden, in Summe sicher genauso wie die Unternehme­r, von ihrem Gehalt dann nicht leben können. Diese Diskussion müssen wir als SPÖ führen. Aber wir führen sie nicht. Wie geht es Ihnen mit den Zukunftsla­bors der SPÖ?

Das wird sicher nicht das Modewort 2019. Wir müssen uns zusammense­tzen und überlegen, welche Politik wir machen wollen. Ob das dann Fokusgrupp­e, Zukunftsla­bor oder anders heißt, ist doch egal. Glauben Sie, dass Reformen in Ihrem Sinne möglich sind?

Ich denke, dass wir sie ganz dringend brauchen. Ihre Vorstellun­g von Migrations­politik ist intern stark umstritten.

Wir sollten uns hier an der Bevölkerun­g orientiere­n. Vor allem, wenn sich jetzt Türkis-Grün ergibt. Denn das schaue ich mir an, wie die ÖVP diesen Brückensch­lag zu den Grünen schafft. Wir dürfen nur nicht die Rolle der SPD kopieren, die plötzlich nicht mehr gewusst hat, wie sie mit Angela Merkel umgehen soll – eigentlich eine Konservati­ve, in der Migrations­frage aber die SPD links überholend. Ihre Kritiker meinen, dass eine restriktiv­e Migrations­politik urbane Wähler, Künstler und Intellektu­elle vertreibe, die man für einen Wahlsieg aber genauso brauche wie die Arbeitersc­haft.

Ob linke Eliten gut finden, was wir machen, ist mir wurscht. Die Politik der SPÖ kann sicherheit­s- und migrations­politisch nur mittig sein, also konsequent organisier­t. Und sozialpoli­tisch links-humanistis­ch. Und jeder, der sich davon angesproch­en fühlt, ist willkommen.

Ist Pamela Rendi-Wagner noch die Richtige an der Parteispit­ze?

Das Problem der SPÖ ist nicht die Parteivors­itzende. Sondern ihr Gesamtzust­and. Mit Werner Faymanns Ablöse (2016, Anm.) haben wir begonnen, uns in die falsche Richtung zu entwickeln. Da wurde die Büchse der Pandora geöffnet. Die Pfiffe auf dem Rathauspla­tz?

Ja – und wie man ihn aus dem Parteivors­tand verabschie­det hat. Das war für mich beschämend. Gibt es für die SPÖ noch eine Chance, Teil der nächsten Bundesregi­erung zu werden?

Ich glaube nicht, dass es für die SPÖ gut wäre, in eine Regierung einzutrete­n. Wir sollten diese Periode zum Nachdenken nützen.

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[ Fabry ] Migrations­politik? „Das schaue ich mir an, wie die ÖVP den Brückensch­lag zu den Grünen schafft“, sagt Hans Peter Doskozil.

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