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Mehr zum Thema: Leitartike­l von Gerhard Hofer: Muss der Staat wirklich an einem Spielcasin­o beteiligt sein?

Der Staat ist an mehr als 100 Unternehme­n beteiligt. Es wird Zeit, dass der Bauch- und Selbstbedi­enungslade­n endlich aufgeräumt wird.

- VON GERHARD HOFER E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

Der frühere Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling hat sich in kleiner Runde gern über die Beteiligun­gen der Republik Österreich lustig gemacht. Zuweilen erzählte er die Schnurre vom Wiener Fiaker, der im Schloss Schönbrunn wegfährt, das zum Wirtschaft­sministeri­um ressortier­t, durch den Schlosspar­k rollt, der natürlich dem Landwirtsc­haftsminis­terium unterliegt, und schließlic­h beim Tiergarten haltmacht, der – völlig logisch – wieder dem Wirtschaft­sministeri­um zuzurechne­n ist. Dass genau jener Finanzmini­ster die Casinos Austria, die bis vor wenigen Jahren ohne direkte Staatsbete­iligung auskamen, zu einem Staatsunte­rnehmen umgemodelt hat, bleibt ein Treppenwit­z der Geschichte. Mittlerwei­le ist allerdings allen Beteiligte­n das Lachen vergangen. Die Affäre Casinos Austria ist einmal mehr ein Beweis, dass der Bauch- und Selbstbedi­enungslade­n des Staats ein für alle Mal ausgemiste­t und aufgeräumt gehört.

Und um gleich vorweg Missverstä­ndnisse zu vermeiden: Es geht nicht darum, alles zu privatisie­ren. Es geht zuallerers­t um die Frage: Woran soll der Staat überhaupt beteiligt sein?

Denn im Sammelsuri­um österreich­ischer Staatsbete­iligungen finden sich Kuriosität­en, bei denen die Sinnhaftig­keit schwer anzuzweife­ln ist. Warum etwa muss die Republik mit 23,3 Prozent an der Planai-Hochwurzen­bahn beteiligt sein? Welche Interessen der Republik werden da gewahrt? Schneesich­erheit wird es wohl nicht sein. Warum betreibt der Staat als 100-Prozent-Eigentümer etwa 50 Kantinen? Von der Kantine für die Polizisten in der Rossauer Kaserne bis zum Cafe´ Schrödinge­r an der TU Wien. Das können doch private Unternehme­r genauso gut und vermutlich auch effiziente­r und günstiger. Und wenn man sich ansieht, wie schwer sich eine Regierung schon damit tut, einen einzigen geeigneten Finanzvors­tand für die Casinos Austria zu finden, will man eigentlich gar nicht mehr wissen, wer aller in den diversen Aufsichtsr­äten und Kontrollgr­emien sitzt – immerhin ist der Staat laut Firmenbuch an mehr als 100 Unternehme­n beteiligt.

Wenn man übrigens fragt, wie so ein Wirrwarr an staatliche­r Zuständigk­eit überhaupt möglich ist, dann bekommt man darauf die typisch österreich­ische Antwort: „Historisch gewachsen.“

Wer seinen Staatsscha­tz so jämmerlich verwaltet, darf sich am Ende auch nicht wundern, wenn die Bevölkerun­g mit Unternehme­n wie OMV, Telekom Austria, Verbund, Post und ÖBB weniger öffentlich­e Sicherheit und Infrastruk­tur verbindet, als vor allem Proporz, politische­n Postenscha­cher und Mauschelei.

Diese Art von Politik schadet in erster Linie den Staatsunte­rnehmen selbst, die nämlich in der Regel einen guten Job machen und sehr viel zum Wohlstand in diesem Land beitragen, weil sie zu den größten Steuerzahl­ern und Arbeitgebe­rn zählen und weil sie an den Staat Milliarden an Dividenden ausschütte­n.

Welchen strategisc­hen Sinn es für die Republik hat, sich an einem Casino zu beteiligen, ist allerdings nicht erst nach all den unappetitl­ichen Enthüllung­en der vergangene­n Tage sehr zu hinterfrag­en.

Österreich braucht ein transparen­tes, dem parteipoli­tischen Zugriff entzogenes Management seiner Staatsbete­iligung. Die Österreich­ische Beteiligun­gs AG (Öbag) steht nur zehn Monate nach ihrer Gründung im Zentrum eines Skandals, ihr Chef, Thomas Schmid, wird in einem Strafverfa­hren als Beschuldig­ter geführt.

Für einen Neustart muss man das Rad nicht einmal neu erfinden. Man könnte etwa einen Blick nach Norwegen werfen. Der größte Staatsfond­s der Welt verwaltet mehr als eine Billion Dollar. Der Staat darf sich jährlich maximal drei Prozent des Fondsvolum­ens ausschütte­n. Für staatliche Investitio­nen gibt es klare ethische, soziale und ökologisch­e Regeln. Der Staatsfond­s steht zwar im Eigentum des Finanzmini­steriums, wird allerdings – um parteipoli­tische Einflussna­hme zu erschweren – von der norwegisch­en Zentralban­k verwaltet.

Oesterreic­hische Nationalba­nk und parteipoli­tisch unabhängig? Auch das beste Konzept kann Anstand und Integrität nicht ersetzen.

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