Die Presse

Passwort schützt besser als Fingerabdr­uck

Hausdurchs­uchung. Die Strafverfo­lgungsbehö­rden sorgen mit Überraschu­ngsbesuche­n für den Stoff der politische­n Diskussion. Worum geht es dabei?

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Das innenpolit­ische Geschehen dieser Woche war weniger von den anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen dominiert als von spektakulä­ren Aktionen zur Aufklärung von Straftaten: Neue Hausdurchs­uchungen in der Casinos-Affäre waren das bestimmend­e Thema. Aber was sind Hausdurchs­uchungen, wie laufen sie ab, was darf die Polizei dabei untersuche­n und mitnehmen? Sechs Fragen und Antworten für den Durchblick.

1 Wann darf eine Hausdurchs­uchung durchgefüh­rt werden?

Die Hausdurchs­uchung ist eine Ermittlung­smaßnahme zur Aufklärung von Straftaten. Sie kann schon beim kleinsten Delikt wie Ladendiebs­tahl eingesetzt werden. Sie wird von der Staatsanwa­ltschaft angeordnet, bedarf einer richterlic­hen Genehmigun­g und wird von der Kriminalpo­lizei durchgefüh­rt. Grundvorau­ssetzung ist, dass entweder eine verdächtig­e Person oder – viel häufiger – Gegenständ­e oder Spuren gesucht werden, die zur Aufklärung von Straftaten benötigt werden. Die richterlic­he Genehmigun­g gilt als Formsache. „In der überwiegen­den Zahl der Fälle wird sie erteilt“, sagt Michael Rohregger, auf Wirtschaft­sstrafrech­t spezialisi­erter Vizepräsid­ent der Rechtsanwa­ltskammer Wien. In dringenden Fällen kann der Staatsanwa­lt die Bewilligun­g vorab telefonisc­h einholen, außerhalb regulärer Dienstzeit­en beim Journalric­hter (was nicht, wie in der Causa BVT, dazu missbrauch­t werden dürfte, ohne Zeitnot an einen Richter zu kommen, der noch weniger genau hinschaut).

2 Wie geht die Hausdurchs­uchung konkret vonstatten?

Die Hausdurchs­uchung kann beim Verdächtig­en, bei Zeugen oder bei Dritten stattfinde­n. Die Polizei muss den Betroffene­n auffordern, das Gesuchte herauszurü­cken, und ihn darüber informiere­n, was sie sonst vorhat; der Wohnungsbe­sitzer darf dabei sein, bei Unternehme­n wartet die Behörde üblicherwe­ise, bis ein Geschäftsf­ührer oder sonstiger Vertreter zur Verfügung steht. Die Durchsuchu­ng muss sich auf Gegenständ­e beschränke­n, von denen anzunehmen ist, dass sie mit dem angegebene­n Zweck der Aktion zusammenhä­ngen. Das ist bei Geschäftsp­apieren in Ordnern einfacher als bei einem Server, über den alle Daten eines Unternehme­ns laufen. Rohregger zufolge hat sich dazu eine Best Practice entwickelt: Die Behörde zieht eine Kopie vom ganzen Bestand, versiegelt diese und filtert dann im Beisein eines Firmenvert­reters z. B. anhand von Namen, Stichwörte­rn, Zeiträumen heraus, was für den Verdachtsf­all relevant erscheint.

3 Worauf konzentrie­ren sich die Durchsuchu­ngen in der Praxis?

Im digitalen Zeitalter konzentrie­rt sich das Interesse der Behörden – sieht man einmal von Drogen- oder Gewaltkrim­inalität ab – auf Daten. Bei Unternehme­n wecken vor allem die Outlook-Dateien von Geschäftsf­ührern und Vorständen gesteigert­es Interesse der Ermittler; bei natürliche­n Personen sind Smartphone­s ein gefundenes Fressen. Denn darauf ist in der einen oder anderen Weise das komplette Alltagsleb­en dokumentie­rt. Nach Einschätzu­ng von Ingeborg Zerbes, Professori­n für Strafrecht an der Universitä­t Wien, dürfen die Ermittler grundsätzl­ich auf alles zugreifen, was auf dem Handy gespeicher­t ist, seien es Texte, Bilder oder andere Dateien. Zerbes zieht einen Vergleich zur analogen Welt, in der die Polizei zum Beispiel eine Schublade mit Unterlagen

selbstvers­tändlich öffnen und durchsuche­n darf. Die Analogie endet allerdings, wenn das Handy auch als Kommunikat­ionsmittel benützt wird (s. Pkt. 5).

4 Muss ich mein Mobiltelef­on entsperren, sodass die Polizei an die Daten herankommt?

Grundsätzl­ich ja, denn dazu verpflicht­et das Gesetz. Es gilt aber eine wichtige Ausnahme, und zwar für den Beschuldig­ten (und für Angehörige, die sich als Zeugen entschlage­n dürfen). Er darf laut Verfassung nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Das bedeutet in diesem Zusammenha­ng auch: Er braucht nicht aktiv aus seinem Gedächtnis ein Passwort zu reproduzie­ren. „Die Polizei kann aber gegen seinen Willen seinen Fingerabdr­uck oder sein Gesicht zum Entsperren verwenden“, sagt Anwalt Rohregger. Eine Passwortsp­erre schützt hier also besser als alles andere. Wenn es die Behörden schaffen, ohne Mitwirkung des Betroffene­n an die Daten heranzukom­men, ist ihnen das unbenommen (wie sie auch in der körperlich­en Welt versperrte Behälter knacken dürfen); ohne „Schlüssel“zum Handy ist das aber alles andere als trivial. Es soll schon vorgekomme­n sein, dass Ermittler einen Trick versuchten, den Sesam zu öffnen: Sie rufen den Betroffene­n an, er hebt ab, sie schnappen das Gerät. Normalerwe­ise gibt dieses aber nur das Telefonat frei, keine Daten.

5 Darf die Polizei auch den laufenden Datenfluss auf einem Handy mitverfolg­en?

Nicht ohne Weiteres. Das ist eine Telekommun­ikationsüb­erwachung, und dafür gelten strengere Anforderun­gen als für die Hausdurchs­uchung. Zerbes zufolge bräuchte die Polizei also eine weitere und ebenfalls richterlic­h bewilligte Anordnung, um etwa neu synchronis­ierte Mails zu lesen. Rohregger traut Aussagen der Polizei nicht so recht, wonach Handys in den Flugmodus versetzt würden, um das auszuschli­eßen; er führt das weniger auf freiwillig­e Zurückhalt­ung zurück als auf die Sorge vor einer Fernlöschu­ng durch den früheren Besitzer.

6 Dürfen die Behörden Zufallsfun­de verwerten, auf die sie bei der Durchsuchu­ng stoßen?

Ja. Die Hausdurchs­uchung darf zwar nicht auf Zufallsfun­de zielen; entdeckt die Polizei aber welche, können die Behörden praktisch nicht gehindert werden, sie zu verwerten.

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[ Getty ] Wozu sollte die Polizei ein ganzes Haus durchsuche­n, wenn ohnehin alles auf dem Smartphone zu finden ist?
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