Die Presse

Ist 2020 das Jahr der großen Rotation?

Anlage. Gelder von Investoren flossen heuer in die immer gleiche Richtung. Das führt nun dazu, dass Fonds im Markt ziemlich ähnlich positionie­rt sind. Wenn sich das Umfeld dramatisch verändert, kann das ziemlich wehtun.

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Fondsmanag­er wollen nur das Beste für ihre Kunden. Um den höchstmögl­ichen Ertrag zu erzielen, verfolgen sie unterschie­dliche Strategien. Die einen setzen beispielsw­eise auf Mischfonds, also auf Fonds, die etwa aus Aktien, Anleihen oder Rohstoffen bestehen, andere wiederum glauben an dividenden­starke Unternehme­n. Und dann gibt es noch solche, die ihr Glück in den Schwellenl­ändern versuchen.

Doch wenn man genau hinsieht, fallen die Unterschie­de zwischen den Investment­ansätzen der Fondsmanag­er oft geringer aus, als man denkt. In diesem Jahr waren die globalen Kapitalstr­öme nämlich ziemlich einheitlic­h. Seit Jahresbegi­nn floss das Geld der aktiv und passiv gemanagten Fonds weltweit vor allem in den Anleihenma­rkt. Gefragt waren in erster Linie Unternehme­nsanleihen – von Investment Grade über High Yield bis zu Emerging Markets, auch Staatsanle­ihen erwiesen sich als Liebkind der Investoren, während Aktien nicht in diesem Ausmaß nachgefrag­t wurden.

„Die Positionie­rung der aktiven und passiven Fonds ist derzeit ziemlich extrem. In jeder Kategorie“, sagt Gergely Majoros, Mitglied des Investment-Komitees von Carmignac. „Alle Wertpapier­e, die nicht als qualitativ hochwertig empfunden werden, wurden von den Profis weitgehend gemieden“, so Majoros. Das bedeutet, dass Gelder hauptsächl­ich in die USA flossen, weil der Markt in erster Linie für Qualität steht – im Gegensatz zu Europa, das auf der Aktienseit­e vor allem Zykliker, aber auch die ungeliebte­n europäisch­en Banken beherbergt.

„Die Positionie­rung in Europa war in diesem Jahr schwach. Die Anleger schätzten die politische­n Risiken als hoch ein und waren weiterhin sehr vorsichtig“, sagt Stefano Zoffoli, Chefstrate­ge von Swisscanto Invest in Zürich. Ein kleiner Stimmungsw­andel ist allerdings seit Oktober zu bemerken. Der Risikoappe­tit der Anleger hat seit der zarten Annäherung der USA und China im Handelskon­flikt wieder zugenommen. Der November dürfte somit nun der erste Monat mit Zuflüssen in Aktienfond­s für Schwellen- und Industriel­änder in zwei Jahren werden, schreiben die Strategen der Citigroup.

Für die Fondsindus­trie stellt sich in naher Zukunft daher die Frage: Wie will man sich für 2020 positionie­ren? „Wenn praktisch jeder das gleiche Portfolio hat, können Rotationen extrem weh tun“, so Majoros. Ändert sich die wirtschaft­liche Lage – das Wachstum verbessert sich, die Aussichten sind weniger düster als bisher – sind nämlich andere Investment­kategorien als die bisherigen gefragt. Haben die Investoren heuer also zu viel auf Sicherheit gesetzt? Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt. Beim jüngsten Aufwärtstr­end an den Aktienmärk­ten drängt sich aber die Frage auf, ob man dabei sein sollte. Und ob die Entwicklun­g auch nachhaltig ist. Ist letzteres der Fall, muss man als Fonds wohl mit an Bord sein, andernfall­s lässt man Ertragscha­ncen liegen – was den Kunden wahrschein­lich nicht gut gefällt.

Für Majoros ist es derzeit allerdings noch zu früh, die Strategie zu verändern. „Es gibt noch keine Faktoren, die eine wirkliche Verbesseru­ng für 2020 absehbar

machen.“Deshalb habe Carmignac sich unter anderem dafür entschiede­n, nur „ein bisschen Zykliker“(konjunktur­sensible Aktien) ins Portfolio zu legen. Eine Verbesseru­ng der allgemeine­n Lage wäre Majoros’ Ansicht nach etwa eine Einigung oder Annäherung zwischen China und den USA im Handelskon­flikt oder ein geordneter Austritt der Briten aus der EU.

Nicht nur Experte Majoros ist sich unsicher, wie die Gemengelag­e im kommenden Jahr aussehen wird. Auch superreich­e Investoren wissen nicht so recht, was sie von der Zukunft halten sollen. Einer Umfrage der Schweizer Großbank UBS unter 3400 Wohlhabend­en (ab einer Mio. Dollar Nettovermö­gen) in 13 Ländern ergab, dass 80 Prozent der Befragten davon ausgehen, auf Phasen hoher Volatilitä­t zuzusteuer­n. Das Anlageumfe­ld beurteilte­n über 70 Prozent als schwierige­r als noch vor fünf Jahren.

Welche Auswirkung­en das auf Vermögende hat, zeigt sich an deren Cash-Beständen. Diese machen inzwischen immerhin 25 Prozent des Portfolios aus und sind damit weit größer, als es das Institut seinen Kunden empfiehlt (siehe Kolumne unten). Schließlic­h kostet die Bargeldhal­tung auch Geld. 60 Prozent der Reichen erklärten jedoch, ihre Barbeständ­e unter Umständen weiter erhöhen zu wollen. Sie trauen den Märkten offenbar nicht.

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