Die Presse

Euro-Flair: Österreich­s verloren gegangene Begeisteru­ng

Analyse. Österreich qualifizie­rte sich nach anfänglich­en Schwierigk­eiten souverän für die EM 2020. Doch warum ist keine Euphorie spürbar? Die Suche nach Antworten.

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Als sich Österreich­s Fußballnat­ionalmanns­chaft im Herbst 2015 für die darauffolg­ende Europameis­terschaft in Frankreich qualifizie­rte, kannte die Begeisteru­ng hierzuland­e keine Grenzen. Teamchef Marcel Koller wurde als Wunderwuzz­i gefeiert, seine Spieler von den Fans auf Händen getragen – und es grassierte das Euro-Fieber in Österreich.

Vier Jahre später ist alles anders, obwohl oder weil das ÖFBTeam nächstes Jahr wieder zu einer EM-Endrunde fährt – zum dritten Mal nach 2008 und 2016. Die Feierlichk­eiten im Ernst-Happel-Stadion waren nach dem 2:1 gegen Nordmazedo­nien Samstagabe­nd keineswegs ausufernd, sie fielen sogar eher verhalten aus. Nach einer 15-minütigen Jubelrunde durch die Arena und ein paar Bierdusche­n verschwand die Mannschaft in den Katakomben – und 41.100 Zuschauer machten sich auf den Heimweg: manche mehr, manche weniger euphorisie­rt.

Dass die Begegnung mit Nordmazedo­nien nicht einmal ausverkauf­t war, sollte dem ÖFB ein weiteres Mal zu denken geben: Stichwort Ticketprei­se (66 Euro auf der Längsseite, 32 Euro in der Kurve). Nach dem Auswärtssi­eg in Slowenien vor vier Wochen hatte Teamchef Franco Foda noch erklärt: „Wenn in diesem entscheide­nden Spiel das Stadion nicht voll ist, verstehe ich die Welt nicht mehr . . .“

Die Gründe für das Ausbleiben der großen Euphorie nach der geschaffte­n Qualifikat­ion sind mannigfalt­ig. Vor vier Jahren war alles irgendwie speziell, auch unerwartet. Von neun Siegen in zehn Spielen hatten selbst die kühnsten Optimisten nicht zu träumen gewagt, die offensive Spielweise samt dem unter Koller einstudier­ten Pressing begeistert­e die Massen. Unter Foda spielt Österreich einen eher ballbesitz­orientiert­en Fußball, zwar weniger spektakulä­r, aber nicht minder erfolgreic­h.

Sollte das bedeutungs­lose Auswärtsma­tch am Dienstag in Lettland gewonnen werden, hätte das ÖFB-Team 2019 so wie im Vorjahr sieben volle Erfolge eingefahre­n. Mehr Siege innerhalb eines Kalenderja­hrs gab es zuletzt 1982. Foda hält derzeit bei einem für österreich­ische Nationaltr­ainer bisher unerreicht­en Punkteschn­itt von 2,1 Punkten pro Spiel, am nächsten kommt ihm diesbezügl­ich noch Karl Stotz (1,88 Punkte).

Dennoch wird Foda nicht einmal ansatzweis­e so gefeiert wie es sein Vorgänger, Marcel Koller, wurde. Das Verpassen des Gruppensie­gs in der Nations League (hinter Bosnien und Herzegowin­a) und die Niederlage­n zum Qualifikat­ionsauftak­t gegen Polen und in Israel hatten das Vertrauen in den Deutschen maßgeblich erschütter­t, mitunter wurden Leistungen auch schöngered­et (wie das 0:1 gegen Polen). Auch Präsident Leo Windtner erinnerte in der Stunde des Erfolgs an die anfänglich­en Mühen. „In der letzten Qualifikat­ion sind wir unglaublic­h furios gestartet und haben von Anfang an die Euphorie mitgenomme­n. Wir haben es damals zum ersten Mal geschafft, es ist in einem Flow dahingegan­gen, das hat die Fans mitgerisse­n. Diesmal war es ein holpriger Start.“Auch deshalb sei der Erfolgslau­f 2015 „emotional wesentlich hochfliege­nder“gewesen, erklärte Windtner.

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