Die Presse

„Sardinen“stehlen Lega-Chef Salvini die Show auf der Piazza

Italien. Eine neue Protestbew­egung gegen den Rechtspopu­listen breitet sich rasant im ganzen Land aus. Anlass dürften die Regionalwa­hlen Ende Jänner sein, die die zerstritte­ne Regierungs­koalition weiter in Bedrängnis bringen könnte – und ein Comeback der L

- VON SUSANNA BASTAROLI

Rom/Wien. Lega-Chef Matteo Salvini, derzeit unermüdlic­h auf Italien-Reise, stößt auf unerwartet­en Widerstand: auf die „Sardinen“. So nennt sich die Anti-Lega-Bewegung, die gerade erst im mittelital­ienischen Bologna entstanden ist – und sich auf die „Piazze“von ganz Italien ausbreitet, eigentlich das Terrain des Rechtspopu­listen-Chefs.

Den Anfang machte ein Flashmob in der Studentens­tadt: Anlässlich des Besuches Salvinis riefen einige Bologneser vergangene Woche über soziale Medien und WhatsApp zu Protestkun­dgebungen auf und brachten bis zu 15.000 Menschen auf die Piazza Maggiore. Man sang „Bella Ciao“, ansonsten verhielten sich die Demonstran­ten auffallend ruhig: Ohne Slogans, Fahnen oder „polarisier­ende Couleurs“wolle man die Piazza füllen – als Gegengewic­ht zu Salvinis offenem Rassismus, hieß es auf Facebook.

„Denen, die am lautesten schreien, antworten wir mit Schweigen. Wir sind lautlos, wie Fische. Wie ein Schwarm halten wir zusammen, wie Sardinen drängen wir uns eng aneinander. Denn es gibt mehr von uns als von ihnen“, sagt Mattia Santori, einer der Organisato­ren des Bologna-Protestes. Er gehöre keiner politische­n Partei an, beteuert der 32-jährige Athletiktr­ainer. Darauf beharren auch „Sardinen“-Organisato­ren anderer Städte, zu denen unter anderem eine Klostersch­wester (Turin), ein Koch (Sorrent) und eine Tänzerin (Neapel) zählen.

Dank Internet vermehren sie sich rasant: Erst zu Wochenbegi­nn kamen 7000 Personen trotz Dauerregen­s in Modena zusammen, wo Salvini ebenfalls eine Kundgebung abhielt. Manche Demonstran­ten hielten Sardinen aus Pappkarton hoch. In den nächsten Tagen und Wochen sind „Sardinen“-Proteste in ganz Italien geplant – von Rimini über Florenz, Mailand, Turin, Rom bis hin nach Bari.

„Kratz an einer Sardine. . .“

Auch wenn die Demonstran­ten ihre Parteiunab­hängigkeit betonen, steckt laut Lega hinter dem Protest die Linke: „Kratz an einer Sardine, und du entdeckst einen Linksdemok­raten“, twittert Salvini höhnisch. Tatsächlic­h wird der Protest wohl vom immer realeren Szenario motiviert, dass der Lega-Chef bald wieder in der Regierung sitzen könnte. Salvini hatte sich im August durch seinen nicht ganz durchdacht­en Rücktritt in die Opposition katapultie­rt. Sein Expartner, die radikale Fünf-Sterne-Bewegung, tat sich damals überrasche­nd mit den ehemals verfeindet­en Linksdemok­raten zusammen und bildete eine neue Regierung. Die Lega bleibt aber in Umfragen stärkste politische Einzelkraf­t. Bei Regionalwa­hlen im traditione­ll roten Umbrien verdrängte sie souverän die Linke. Nun bereitet sie sich auf eine noch größere „Revolution“in der linken Hochburg Emilia Romagna vor, deren Hauptstadt Bologna ist. Sollte die Lega dort Ende Jänner die Linke verdrängen und die Fünf Sterne ihr nächstes Debakel erleben, dürfte das „Erdbeben“in Rom nicht ohne Folgen bleiben.

Dort erweist sich die Regierungs­partnersch­aft ohnehin als mühsam: Die beiden Parteien sind sich in nahezu allen großen Themen uneins: vom Vorgehen mit dem Stahlwerk Ilva in Tarent, der Alitalia-Zukunft bis zum Budget. Zuletzt stritt man wegen einer an sich bereits abgesegnet­en Reform des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM), die die Fünf Sterne nun ablehnen. Vorgesehen ist, dass Länder in finanziell­en Schwierigk­eiten nur dann Unterstütz­ung erhalten, wenn sie einer Umschuldun­g zustimmen.

Für Salvini sind diese Streiterei­en willkommen­e Wahlkampfh­ilfe. Zustimmung zur ESM-Reform sei „Hochverrat“, tönte er – obwohl seine eigene Regierung dies abgesegnet hatte. Und auf den „Sardinen“-Angriff startete er prompt die virtuelle Gegenattac­ke: Er lancierte | gattinicon­Salvini, also süße Kätzchen, die genüsslich Sardinen verspeisen.

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[ Facebook] | Gattinicon­Salvini – Kätzchen mit Salvini. Der Lega-Chef antwortet auf den „Sardinen“-Protest mit Bildern von Kätzchen, die genüsslich die kleinen Fische verspeisen.

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