„Ein Fehler, alles einem Land zu überlassen“
Interview. Danny Quah, Dekan an der National University of Singapore und Ökonom an der London School of Economics, über die Machtverschiebung in der Weltordnung, den USA/China-Konflikt und die Klimakrise als Chance zur Versöhnung.
Früher wurde der Aufstieg rein wirtschaftlich betrachtet. China hat Millionen von Arbeitskräften auf den Weltmarkt gebracht, einen wichtigen Beitrag zur globalen Produktion geleistet. Das war willkommen. In den letzten zehn Jahren hat sich aber, von den USA ausgehend, ein gewisses Unbehagen gegenüber China entwickelt: Es hätte von den Regeln der Weltordnung profitiert und wolle diese nun von innen zerstören, so das Narrativ.
Einige sagen, den USA werde unwohl bei dem Gedanken, dass ein anderes Land die Nummer eins sein könnte. So wird China als revisionistischer Staat beschrieben, der danach strebt, die Regeln des Spiels umzuschreiben und die Welt an seine autoritäre Ideologie anzupassen. Das ist eine Erzählung, an die nicht alle glauben. Viele asiatische Staaten fühlen sich unwohl, dass die USA China dieses Image geben. Sie haben das Gefühl, dazu gedrängt zu werden, sich für eine Seite entscheiden zu müssen.
Es heißt, China würde Raubtierkapitalismus betreiben, die Belt Road Initiative (Anm: Infrastrukturprojekt Neue Seidenstraße) dazu missbrauchen, andere Staaten zu beeinflussen, sie in eine Schuldenfalle zu locken und von sich abhängig zu machen. Natürlich hat jeder zu einem gewissen Grad Angst vor China. Aber jeder hat auch bis zu einem gewissen Grad Angst vor den USA. Weltmächte sind, auch wenn sie noch so gütig sind, wie Elefanten an einer Wasserstelle: Egal, wie sie sich positionieren, wie freundlich sie sind: Sie werden immer alle um sich herum stören.
Im ersten Jahr seiner Präsidentschaft hat er das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) aufgekündigt. Er attackiert andere Staaten wegen ihrer Handelsüberschüsse und untergräbt die von den USA aufgebaute, offene Wirtschaftsordnung. Seine Kosten-Vorteil-Analyse ist negativ. Was er fordert, ist eine Aufteilung der Lasten.
In der klassischen Weltordnung gehen wir von einem Führer aus, der alle versorgt: Wenn die Welt in der Rezession ist, kurbelt er die Wirtschaft an. Wenn die Finanzmärkte reguliert werden müssen, wird er zum Finanzregulierungsexperten. Wenn es Konflikte gibt, sorgt er als globaler Polizist für Sicherheit. Wir überladen den Führer mit Verantwortlichkeiten. Es gab Zeiten, da waren die USA bereit, all das zu tun, weil sie die Ressourcen dazu hatten. Aber die Welt hat sich geändert.
Die Staaten müssen selbst entscheiden, wo sie Anreize sehen, die Besten zu werden. Es spielt ja auch nicht dieselbe Mannschaft Fußball, Basketball und Baseball, man teilt die Spieler auf die Sportarten auf, in denen sie am besten sind. Lassen wir die Welt dasselbe Spiel spielen.
Ja, kann gut sein. Aber ich glaube nicht, dass sie das heute noch sind. Ihre Reaktion: Wenn ihr gewinnt, nehmen wir den Ball weg und spielen nicht mehr mit euch. Einerseits fordern sie, die Bürden zu teilen, auf der anderen Seite haben sie ein Problem damit, wenn andere die Führung übernehmen. Wieso sollte nicht Singapur die Finanzmärkte regulieren? Brauchen wir Soft Power, sollen das die Europäer machen.
China besitzt eine große Expertise in der Logistik. Es hat die technischen Fähigkeiten, riesige Infrastrukturprojekte umzusetzen.
Zum Beispiel mit sauberen Energien. Bill Gates hatte die Idee, Nuklearenergie so zu nutzen, dass sie nicht gefährlich und einfacher zu kontrollieren ist. Weltweit hat er für seine Pläne aber nur chinesische Unternehmen gefunden, die das Material in der notwendigen Größenordnung herstellen könnten. Hier liegt die Chance, Vertrauen aufzubauen: ein globales Problem, das nur in internationaler Zusammenarbeit gelöst werden kann. Es kam aber nicht dazu, weil Trump einen Handelskrieg ausgerufen hat.
Genau. Aber wir haben in den USA eine Gemeinschaft, die nicht daran glaubt, dass der Klimawandel etwas mit der Menschheit zu tun hat. Das ist ein Problem.
Die disruptive Kraft der USA ist stark. Aber nur deswegen, weil wir den Fehler gemacht haben, alles einem einzigen Land zu überlassen. Die USA haben immer auf ihre Checks and Balances verwiesen, uns versprochen, dass kein Einzelner ihr System zerstören kann. Wir werden sehen, wie es weitergeht.