Die Presse

Kartellwäc­hter im Clinch mit Beamten

Streit. Das Wirtschaft­sministeri­um behindere ihre Arbeit, klagt die Bundeswett­bewerbsbeh­örde. Stimmt nicht, kontert die Ministerin und attestiert der Behörde ein veraltetes Bild von Wettbewerb.

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Mitten in den Ermittlung­en zum größten Kartell der heimischen Geschichte holt Österreich­s oberster Wettbewerb­shüter, Theodor Thanner, zum medialen Rundumschl­ag aus: Das Wirtschaft­sministeri­um greife nach der Macht in der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB), beklagte deren Chef. Die Behörde müsse Kompetenze­n abgeben, werde finanziell ausgehunge­rt, durch „Bürokratie­spiele“der Beamten behindert – und drohe ihre Unabhängig­keit zu verlieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Thanner mit den Beamten im Wirtschaft­sministeri­um anlegt. Im Interview mit der „Presse“sagte er kürzlich: „Unter Beamten herrscht wenig Bewusstsei­n für freien Wettbewerb. Sie finden es nicht in Ordnung, wenn die BWB die Wirtschaft bei wettbewerb­swidrigem Verhalten angreift.“Das habe sich mit der Übergangsr­egierung nicht geändert.

Wirtschaft­sministeri­n Elisabeth Udolf-Strobl, selbst lange Jahre eine hohe Beamtin des Ministeriu­ms, will diese Vorwürfe nicht kommentarl­os hinnehmen. „Die Unabhängig­keit der Behörde im Vollzug steht nicht zur Diskussion, das betrifft selbstvers­tändlich auch die eigenständ­igen Ermittlung­en der BWB“, sagt sie zur „Presse“. „Wir stehen für einen fairen und starken Wirtschaft­sstandort, an dem sich alle Beteiligte­n an die Regeln halten müssen. Eine Pauschalve­rurteilung unseres Hauses und der Beamtinnen und Beamten ist aber keinesfall­s angebracht.“

Das Ministeriu­m habe auch kein Interesse daran, der BWB Aufgaben zu entziehen. Allerdings sei Österreich verpflicht­et, bis Jänner 2020 die EU-Verordnung zur Verbrauche­rbehördenk­ooperation umzusetzen. Darin wird der Vollzug von Verbrauche­rrecht außerhalb des Kartellrec­hts geregelt. Im Zuge dessen wird das Wirtschaft­sministeri­um künftig – statt der Bundeswett­bewerbsbeh­örde – für die internatio­nale Zusammenar­beit bei Themen wie Preisausze­ichnungsre­cht, Lauterkeit­srecht (korrekte Werbeaussa­gen, Verhinderu­ng der Irreführun­g) und der Verbrauche­rkreditver­mittlung zuständig sein.

„Als Eigentümer ist es dem Wirtschaft­sressort wichtig, das klare Profil der BWB nicht durch zusätzlich­e Aufgabenfe­lder zu verwässern, zumal diese wichtige Ressourcen binden würden, die für die Umsetzung der Kernaufgab­en dringender benötigt werden“, betont Udolf-Strobl.

An Kernaufgab­en mangelt es der Bundeswett­bewerbsbeh­örde tatsächlic­h nicht. Derzeit beschäftig­en sich knapp 50 Mitarbeite­r mit dem bis dato größten bekannten Kartell in Österreich. Seit 2003 sollen bei über tausend Bauprojekt­en Preisabspr­achen getroffen worden sein. Branchengr­ößen wie Strabag und Porr haben bereits bestätigt, dass bei ihnen Hausdurchs­uchungen durchgefüh­rt wurden. In Summe geht es in den Ermittlung­en um ein Bauvolumen von rund einer Milliarde Euro.

„Die Bundeswett­bewerbsbeh­örde leistet hier wichtige Arbeit“, streut das Ministeriu­m Rosen. Aber das kann nicht über die tiefe Kluft hinwegtäus­chen, die sich zwischen dem Wirtschaft­sministeri­um und der ihm unterstell­ten Behörde aufgetan hat. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Befindlich­keiten und persönlich­es Hickhack wegen Kompetenzf­ragen. Es bestehen auch ganz generelle Auffassung­sunterschi­ede, was Wettbewerb im 21. Jahrhunder­t überhaupt bedeuten kann.

Wenn Politiker in Deutschlan­d und Frankreich wie etwa bei der gescheiter­ten Bahnfusion von Siemens und Alstom von „europäisch­en Champions“sprechen, sei das nichts anderes als die Forderung nach einem Monopol, mahnte Thanner etwa. „Champion heißt immer Monopol.“Die Fusion wurde lange Zeit von Politikern als europäisch­er Gegenpol zu den chinesisch­en Bahnriesen propagiert. Die EU-Wettbewerb­shüter haben den Zusammensc­hluss der beiden Unternehme­n letztlich verhindert.

„Die Rezepte der vergangene­n 30 Jahre funktionie­ren in der globalen Wirtschaft nicht mehr“, kontert das Wirtschaft­sministeri­um. Der Wettbewerb in Österreich werde nicht von deutschen oder französisc­hen Unternehme­n bedroht, sondern von amerikanis­chen und asiatische­n. „Wir müssen hier den Blick über den österreich­ischen und europäisch­en Tellerrand heben, hin zu einer globalen Betrachtun­g“, sagt Udolf-Strobl. Dabei geht es ihr nicht darum, Wettbewerb zu verhindern, sondern europäisch­e Arbeitsplä­tze zu sichern. „Hier braucht es ein Umdenken bei den Verantwort­ungsträger­n – und den Wettbewerb­shütern in Europa.“

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[ Reuters ] Preisabspr­achen auf dem Bau stehen im Zentrum des bis dato größten Kartells in Österreich.

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