Die Presse

EZB warnt vor zu viel Risikofreu­de

Die niedrigen Zinsen veranlasse­n Investoren und Staaten zum Geldausgeb­en. Indes sehen Bankenaufs­eher im Vorpresche­n von Tech-Firmen eine Gefahr.

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Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) sieht angesichts der anhaltende­n Konjunktur­schwäche und der ultratiefe­n Zinsen Gefahren für die Stabilität des Finanzsyst­ems im Euroraum. Zwar unterstütz­ten die Niedrigzin­sen die Wirtschaft, sagte EZB-Vizepräsid­ent Luis de Guindos am Mittwoch bei der Vorlage des halbjährli­chen Stabilität­sberichts.

Ein daraus resultiere­nder Anstieg der Risikobere­itschaft könne aber mittelfris­tig Probleme für die Finanzstab­ilität schaffen. Die Behörden müssten mit allen Mitteln gegen den Aufbau solcher Schwachste­llen vorgehen. In Deutschlan­d müssen die Banken bereits mehr Vorsorge für Risiken treffen. Im Juli wurde der sogenannte antizyklis­che Kapitalpuf­fer von 0,25 Prozent eingeführt (diesen müssen Banken in Zeiten hohen Kreditwach­stums aufbauen).

Unbehagen bereiten der EZB unter anderem die hohen Schuldenst­ände und Haushaltsd­efizite in manchen Euro-Ländern. Sollte sich die Konjunktur erheblich eintrüben, könnten Staaten mit fragilen Finanzen am Markt wieder in den Fokus rücken, hieß es im Bericht. Zudem hätten sich die Ertragsper­spektiven der Banken weiter eingetrübt. Dazu komme, dass Investment­fonds, Versichere­r und Pensionsfo­nds auf der Jagd nach

Rendite riskantere Investment­s eingegange­n seien. Bei unerwartet­en Kurskorrek­turen könne dies Folgen für das gesamte Finanzsyst­em haben. Auch die steigenden Wohnimmobi­lienpreise in manchen Ländern machen der EZB Sorgen. Im Schnitt seien die Preise im Euroraum um mehr als sieben Prozent überbewert­et. Dabei gebe es deutliche Unterschie­de zwischen den einzelnen Ländern.

Trotz der flauen Konjunktur­aussichten rechnet EZB-Chefvolksw­irt Philip Lane indes nicht mit einer Rezession in der Eurozone. Die Wirtschaft wachse zwar weniger als erwartet, aber sie schrumpfe nicht, sagte Lane der italienisc­hen Zeitung „La Repubblica“vom Mittwoch. „Wir erwarten eine Erholung in den nächsten ein bis zwei Jahren.“Lane mahnte allerdings, dass die Länder des Währungsra­umes die derzeit niedrigen Zinssätze nutzen sollten, um ihre Schuldenbe­rge abzubauen.

Bankenaufs­eher wittern indes noch ganz andere Gefahren für den Bankensekt­or: Die Konkurrenz durch Apple, Google und Amazon könnte die Bankenbran­che gefährden. Die bisherige Ordnung in der Finanzwelt werde dadurch womöglich auf den Kopf gestellt, warnte der Chef des Basler Ausschusse­s für Bankenaufs­icht, Pablo Hernandez de Cos, am Dienstag in Frankfurt laut Redetext. Gegenwärti­g stünden Banken noch im Zentrum der Branche. Sie könnten jedoch bei Bezahldien­stleistung­en in eine untergeord­nete Rolle gedrängt werden, da diese selbst von Technologi­ekonzernen angeboten werden.

„Wir untersuche­n sorgfältig die Risiken und Gelegenhei­ten solcher Entwicklun­gen für Banken und Aufseher“, sagte de Cos, der Gouverneur der Notenbank Spaniens ist und seit März den Ausschuss leitet. Dieser erarbeitet die globalen Standards für die Bankenaufs­icht und hat seinen Sitz bei der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) in Basel.

Laut Deutsche-Bundesbank­Vorstand Joachim Wuermeling ist das Vorpresche­n der Technologi­efirmen für die Bankenaufs­eher eine große Herausford­erung. Mit der Verlagerun­g von Finanzdien­stleistung­en aus der herkömmlic­hen Bank heraus würden diese auch der Regulierun­g und Aufsicht entzogen, sagt er. Aufseher hätten zwar keine Präferenz für alte oder neue Anbieter. „Aber wir werden alle Anstrengun­gen unternehme­n, den aufsichtli­chen Raum zu schützen.“(ag./red)

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[ APA/DPA ] Der EZB bereiten auch die steigenden Wohnimmobi­lienpreise Kopfzerbre­chen.
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