Schade, dass FM4 das Funkhaus verlassen muss
Es sind keine einfachen Zeiten für den ORF. Die Entscheidung, das Funkhaus nahe des Zentrums großteils aufzulassen, war falsch. Damit muss der ORF nun leben.
Tschüss, Karlsplatz. Hallo, Küniglberg. Diese Woche zieht FM4 vom Funkhaus in der Argentinierstraße ins ORF-Zentrum in Wien Hietzing. Ö1, ebenfalls Funkhausresident, und Ö3, aktuell in Heiligenstadt beherbergt, werden bis 2022 folgen. Die Redaktion von orf.at und Teletext sind bereits 2017 von Heiligenstadt auf den „Berg“übersiedelt.
Gute Sache, argumentieren die einen, darunter die ORF-Führung, die 2015 den Umzug beschloss: In modernen Zeiten arbeitet man tri- und multimedial, deshalb ist es praktisch, wenn Radio, TV und Online vereint sind. Man kann Synergien nutzen, Ressourcen einsparen, vielleicht als Radiomensch etwas von den TV-Kollegen lernen oder vice versa, und so weiter. „Mediencampus“nennt man das Ganze deshalb gern. Die Mehrheit ist allerdings weniger begeistert. Den Anfang machte die „Rettet das Funkhaus“-Initiative. Seit 2012 erstmals Pläne für die Zusammenlegung bekannt wurden, protestierte sie gegen den Umzug. Die Bürgerinitiative IG Funkhaus, bei der sich Promis wie Elfriede Jelinek und Willi Resetarits engagierten, wollte das Gebäude sogar kaufen. Vergeblich. 2016 veräußerte der ORF den Großteil des 15.000 m2 großen Funkhauses an die Vorarlberger Baugruppe Rhomberg.
Das wuchtige Funkhaus wurde vom austrofaschistischen Regime geplant, um Propaganda via Radio zu verbessern; als es 1939 eröffnete, waren bereits die Nazis an der Macht. Es wäre ein wichtiges Zeichen der Verantwortung gewesen, dieses Gebäude im öffentlichen Besitz zu behalten – und es für Medien, für eine Demokratie unerlässlich, zu nutzen.
Zwar bleibt das Wiener Landesstudio, also Radio Wien und Fernsehen, ebenso dort wie das Radiokulturhaus. Und es soll kurzfristig buchbare Arbeitsplätze für ORF-Journalisten geben, die schnell etwas für eine Sendung produzieren müssen. Eine gewisse Präsenz des Öffentlich-Rechtlichen in Stadtnähe bleibt also. Genug ist das nicht. Die Journalisten, die nun bald umziehen, fürchten, am Küniglberg weitab vom Schuss zu sein. Natürlich, es leben auch im 13. Bezirk Menschen, es fahren vier Buslinien zum ORF-Zentrum; eine davon wurde extra geschaffen. Für Interviewgäste könnte die Anreise aber eine zusätzliche Hürde sein. Und die Reporter müssen künftig längere Wege zurücklegen, um zu Terminen zu kommen. Das schaffen ihre Kollegen vom TV, die seit 1972 dort residieren, ja auch? Stimmt, aber über die Lage wird gehörig gejammert. Dazu kommt: Während FM4 in einen Gebäudeteil zieht, der lediglich saniert wurde, erfolgte im Sommer der Spatenstich für den Neubau, der künftig Ö1 und Ö3 beherbergen soll. 303 Millionen Euro kostet das. Aufgrund von Anrainerbeschwerden wird der Neubau kleiner als geplant ausfallen, sodass der ORF auf Lagerfläche verzichten muss.
Dafür, argumentieren die Befürworter, wird dann oben am „Berg“alles funkelnagelneu sein. Die FM4Mitarbeiter wurden in die Entscheidungen miteinbezogen; und seit sie die neuen Studios besichtigten, sehen viele dem Umzug gelassener entgegen. Das Upgrade war schließlich dringend notwendig – hätte aber ebenso gut im Funkhaus erfolgen können.
Es sind harte Zeiten für den ORF. Die türkis-blaue Regierung wollte die Abschaffung der GIS-Gebühren, was die Öffentlich-Rechtlichen nachhaltig geschwächt hätte. Die FPÖ griff ORF-Redakteure persönlich an. Das Nutzungsverhalten der Menschen ändert sich; man sieht Videos im Nachhinein online oder hört sich Sendungen Tage später als Podcast an. Bei beiden ist der ORF gesetzlich stark eingeschränkt.
Es ist gut, dass es den ORF gibt. Trotz seiner Schwächen, zu denen etwa politische Postenbesetzungen gehören. Die Journalisten leisten dort ihr Bestes, doch die Tatsache, dass die Landeshauptleute bei der Bestellung der Chefs der Landesstudios mitreden dürfen oder im Stiftungsrat unabhängige Experten in der Minderheit sind, schwächen den guten Ruf. Ebenso war die Entscheidung, das Funkhaus großteils aufzulassen, eine falsche. Mit der der ORF nun leben muss.