Athen sperrt Flüchtlinge ein
Geschlossene Lager. Die griechische Regierung zieht Konsequenzen aus der neuen Migrationswelle und leitet eine restriktive Migrationspolitik ein.
Athen/Wien. „Ich werde das nicht länger hinnehmen“, sagte Griechenlands Ministerpräsident, Kyriakos Mitsotakis, mit Hinweis auf die mangelnde Solidarität der europäischen Partner. Zwei Tage nach dieser Ankündigung im deutschen „Handelsblatt“hat er Konsequenzen gezogen. Am Mittwoch verkündete die griechische Regierung die Schließung von drei chronisch überfüllten Flüchtlingslagern auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos. Sie sollen durch neue Einrichtungen auf insgesamt fünf Inseln ersetzt werden, die eine Aufnahmekapazität von je 5000 Personen haben werden. Gleichzeitig wird Athen seine Flüchtlingspolitik restriktiver gestalten. Damit versucht die konservative Regierung offensichtlich, den Migrationsdruck auf andere europäische Staaten zu verlagern.
Die neuen Lager auf Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros sollen nur noch „geschlossen“sein. Das heißt, die ankommenden Flüchtlinge dürfen sich künftig nicht mehr frei bewegen. Dies soll laut einem Regierungssprecher dazu beitragen, dass die Ankommenden besser kontrolliert und ihre Weiterreise auf das Festland verhindert werden kann. Außerdem sollen die Lager in „Vor-Rückführungszentren“umbenannt werden. Athen will insbesondere die Rückführung von illegal eingewanderten Migranten, die aus der Türkei auf die Inseln gelangt sind, verstärken. Vorwürfe von türkischer Seite, wonach damit bereits begonnen wurde, hat die griechische Regierung zuletzt dementiert. Griechenlands Vize-Verteidigungsminister Alkiviadis Stefanis kündigte darüber hinaus verschärfte Kontrollen an den Grenzen an. „Dramatisch verschlechtert“ Derzeit befinden sich rund 36.400 Asylwerber auf den griechischen Ägäisinseln, die nahe an der türkischen Küste liegen. Auf den hauptbetroffenen Inseln Lesbos und Samos sind neben den offiziellen Einrichtungen immer neue von Flüchtlingen selbst errichtete Zelte und Unterkünfte entstanden.
Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, bezeichnete nach einem Besuch Ende Oktober die Lage als „explosiv“. Es mangle an medizinischer Versorgung und ausreichenden sanitären Einrichtungen. Die Situation habe sich in den vergangenen zwei Monaten „dramatisch verschlechtert“. Im Lager auf Samos, das für rund 650 Menschen ausgelegt ist, befinden sich aktuell mehr als 6000 Flüchtlinge.
Ein Sprecher des UN-Flüchtlingshochkommissariats in Griechenland, Boris Cheshirkov, zeigt Verständnis für das Einschreiten der griechischen Führung, hat aber Vorbehalte zu den geschlossenen Lagern. Im Gespräch mit der „Presse“betont er, dass die UN-Organisation nun Details zu den Plänen der Regierung angefordert habe. Die Lager zu schließen könne nur die „letzte Option“sein. Gleichzeitig erwarte der UNHCR, dass die griechische Regierung insbesondere die Situation von unbegleiteten Kindern verbessere, für die es bisher keine ausreichende Betreuung gibt. Außerdem müs
se, um Griechenland zu entlasten, auch die Umsiedlungg in andere Mitgliedstaaten – „da ist auch Ös terreich gefordert“– verstärkt werden. Verständnis für Athen kam am Mittwoch auch von der EU-Kommission. Bisher in diesem Jahr 62.190 Migranten Griechenland erlebte dieses Jahr einen neuen Ansturm von Flüchtlingen. Laut den Zahlen des UNHCR kamen bisher insgesamt 62.190 Migranten an. Im ganzen Jahr 2018 waren es 50.508 gewesen. Die jüngsten Zahlen liegen allerdings noch immer weit unter jenen der Flüchtlingskrise 2015. Während wieder immer mehr Menschen über die Türkei in Richtung Griechenland unterwegs sind, ebbt der Strom nach Italien ab. Lediglich 10.000 Flüchtlinge kamen dieses Jahr ins Land.
Griechenlands Premier macht die Türkei für die verschärfte Situation verantwortlich. Es sei offensichtlich, dass Ankara versuche, „die Migration als Hebel einzusetzen, um Europa unter Druck zu setzen und Konzessionen zu erreichen“, behauptet Mitsotakis.