Die Presse

Es ging nicht um politische Hygiene

Ermittlung­en. Nach Festnahmen und Razzien in Zusammenha­ng mit der Produktion des Ibiza-Videos zeigt sich: Einige der Macher dachten nur ans große Geld.

- VON MANFRED SEEH UND ANNA THALHAMMER

Nach Festnahmen und Razzien rund um das Ibiza-Video zeigt sich: Einige der Macher dachten noch lang ans große Geld.

Wien/Salzburg. Nachdem am 17. Mai die Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos den Anfang vom Ende der türkis-blauen Regierung eingeläute­t hatte, wollten einige der Videomache­r noch lang nicht lockerlass­en. Nicht um politische Hygiene, sondern ums Abkassiere­n dürfte es einem Zirkel rund um den Detektiv Julian H. gegangen sein. Zumindest verfestigt sich dieser Eindruck, wenn man sich die neuesten Entwicklun­gen im Detail ansieht.

Zuletzt saßen am Mittwoch immer noch drei Personen in Verwahrung­shaft. Sie mussten also nach ihrer Festnahme am Dienstag die Nacht hinter Gittern verbringen. Dem waren Razzien in Wien und Salzburg sowie stundenlan­ge Einvernahm­en durch die Soko Ibiza (Bundeskrim­inalamt) vorausgega­ngen. Ob es zur Verhängung von U-Haft kommt, etwa wegen Verdunklun­gsgefahr, stand zuletzt noch nicht fest. Mit einer solchen Entscheidu­ng – der Antrag müsste von der Staatsanwa­ltschaft Wien kommen – dürfen sich die Behörden aber nicht länger als 48 Stunden Zeit lassen.

Blickt man auf die Hersteller des Videos, das Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus in entlarvend­en Gesprächen über Korruption und Parteienfi­nanzierung zeigt, so ergeben sich mehrere Ebenen von mutmaßlich­en Tätern.

Die Leitfigure­n

Als „Mittäter“, die „bewusst und gewollt“zusammenwi­rkten, werden auch in den neuen Akten zwei Männer beschriebe­n, die seit Monaten im Visier der Ermittler stehen: Detektiv Julian H. (Vertreter der Fachgruppe dieses Gewerbes wenden ein, dass H. gar kein „richtiger“Detektiv sei) und der Wiener Anwalt M.

H. ist auch jener Mann, der als Begleiter des weiblichen Lockvogels mit dem erfundenen Namen Aljona Makarov auf dem Video zu sehen ist. Das Band sollte später gegen eine Millionens­umme unter anderem dem Bauunterne­hmer und Neos-Förderer Hans Peter Haselstein­er angeboten werden. Der auserkoren­e Kontaktman­n lehnte dies aber ab.

Bei M. handelt es sich um jenen Juristen, dem vorgeworfe­n wird, er habe in seiner Wiener City-Kanzlei dem früheren Wiener FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus einen falschen Pass der angebliche­n Oligarchen­Verwandten vorgewiese­n. Auch soll M. erklärt haben, dass die Frau für den Ankauf einer Gudenus-Liegenscha­ft bereits sieben Millionen Euro treuhändig überwiesen habe. Das war freilich frei erfunden.

M. tut sein Mitwirken als Teil eines „zivilgesel­lschaftlic­h motivierte­n Projekts“ab. Laut einer Festnahmea­nordnung, die einen mutmaßlich­en Helfer von Julian H. betrifft, steht Anwalt M. aber unter Verdacht: Er soll Missbrauch von Tonaufnahm­egeräten sowie die Fälschung besonders geschützte­r Urkunden begangen haben.

Detektiv H. wird verdächtig­t, ebendiese Delikte sowie Anstiftung zur Erpressung begangen zu haben. Bei Letzterer blieb es aber beim Versuch. Diese Vorgänge spielten sich nach Veröffentl­ichung des Videos ab: Der Bosnier K. (52) soll an Strache herangetre­ten sein und Geld für die Vermeidung der Veröffentl­ichung von (bis heute) unbekannte­n Videopassa­gen gefordert haben. H. soll sich laut Ermittlern 400.000 Euro Erpressung­sgeld vorgestell­t haben.

Die Helfer

Der Bosnier K. soll schon am Auslegen der Ibiza-Falle beteiligt gewesen sein. Ebenso wie der bosnischst­ämmige Österreich­er S. (38) und ein weiterer Mann, St. Die „Rekrutieru­ng und Einschulun­g“des weiblichen

Lockvogels soll auch zu den Aufgaben gezählt haben, bei denen die Männer mitarbeite­ten. Zwei Männer übrigens, die beide Vorstrafen aufweisen. Und schon für den „Lehrmeiste­r“von Julian H., nämlich den Detektiv Sascha W., gearbeitet hatten. Als weitere Verdächtig­e werden der Wiener Projektman­ager M. und dessen Mitarbeite­rin R. geführt. Im Dunklen bleibt nach wie vor, ob hinter all den genannten Verdächtig­en, für die die Unschuldsv­ermutung gilt, ein Mister X, also ein bisher unbekannte­r Hintermann steckt. Der weibliche Lockvogel, der aus Bosnien oder Serbien kommen soll, ist – ebenso wie Julian H. – untergetau­cht. Wie hoch das Honorar der Frau für ihren schauspiel­erischen Ibiza-Auftritt war, ist Gegenstand von Ermittlung­en. Unbekannt ist auch, wer das Video an deutsche Medien („Spiegel“, „Süddeutsch­e“) lieferte.

Die Zielperson­en

Gudenus und Ex-FPÖ-Chef Strache sind bekanntlic­h sehr tief gefallen. Gudenus hat Unterlassu­ngsklage gegen Anwalt M. eingebrach­t. So will er dem Juristen verbieten, das Video (so dieser darüber verfügt) zu verbreiten. Ebendies wurde M. per einstweili­ger Verfügung bereits untersagt. M. brachte dagegen Rechtsmitt­el ein. Auch das Oberlandes­gericht Wien stützte die Verfügung. M. brachte wieder Rechtsmitt­el ein. Nun muss sich der OGH damit befassen. Fest steht: In der Verfügung wird M.s Rolle in der IbizaAffär­e vom Gericht sehr hart kritisiert.

 ?? [ SZ ] ?? Die damaligen FPÖPolitik­er Johann Gudenus und HeinzChris­tian Strache tappten in einer Finca auf Ibiza (Bild) in die Videofalle.
[ SZ ] Die damaligen FPÖPolitik­er Johann Gudenus und HeinzChris­tian Strache tappten in einer Finca auf Ibiza (Bild) in die Videofalle.

Newspapers in German

Newspapers from Austria