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Sozialdumping. Dürfen holländische Frächter ihre Mitarbeiter formal nach Zypern auslagern, weil dort die Sozialabgaben niedriger sind? Das hat der EuGH zu entscheiden, der Generalanwalt verneint es. Hat das auch Auswirkungen für Österreich?
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Niederländische Lkw-Fahrer, die für niederländische Frächter auf Europas Straßen unterwegs sind. Und für die nicht das niederländische Sozialversicherungsrecht gelten soll, sondern das zypriotische: Kann das rechtens sein? Oder ist es im weitesten Sinne Sozialdumping? Damit muss sich zurzeit der Europäische Gerichtshof befassen (C-610/18).
So viel vorweg: Den Generalanwalt, Priit Pikamäe aus Estland, hat das rechtliche Konstrukt nicht überzeugt. Es beruht auf sogenannten Flottenmanagement-Verträgen, die die niederländischen Transportunternehmen mit der zypriotischen Firma AFMB abgeschlossen haben. Diese Firma fungiert formal als Arbeitgeber der Fahrer. Die EU-Richter müssen nun entscheiden, ob es sich um eine korrekte Entsendung von Arbeitskräften handelt – oder ob das Modell bloß den Zweck hat, die sozialversicherungsrechtlichen Regeln der Niederlande zu umgehen.
„Rechtsmissbrauch“
Aus Sicht des Generalanwalts ist Letzteres der Fall: Arbeitgeber sei jenes Unternehmen, das den jeweiligen Mitarbeiter eingestellt hat, dem dieser auf unbestimmte Zeit uneingeschränkt zur Verfügung steht, das ihm gegenüber eine tatsächliche Weisungsbefugnis ausübt und das faktisch die Gehaltskosten zu tragen hat, führt Pikamäe in seinen Schlussanträgen aus. Und das seien die niederländischen Transportunternehmen – zumal einige der Fahrer zuvor sogar direkt dort angestellt gewesen seien. Die Rolle der AFMB beschränke sich im Wesentlichen auf die Zahlung des Gehalts und die Leistung der Sozialbeiträge an die zypriotische Behörde, schreibt Pikamäe. Die AFMB könne sich daher nicht auf ihre angebliche Arbeitgebereigenschaft berufen, „nur damit die zypriotischen Sozialversicherungsvorschriften auf die betreffenden Fahrer anwendbar werden“. Das wäre Rechtsmissbrauch, lautet das Fazit des Generalanwalts. Ob der EuGH genauso entscheiden wird, ist noch offen, in der Mehrzahl der Fälle schließen sich die Richter jedoch der Rechtsansicht des Generalanwalts an.
Was würde das für Österreich bedeuten? Es gehe hier um „vermeintliche Grauzonen, die in Wahrheit aber gar nicht so grau sind“, sagt Rechtsanwalt und Arbeitsrechtsexperte Kurt Wratzfeld zur „Presse“. Österreich habe mit dem Lohn- und SozialdumpingBekämpfungsgesetz (LSD-BG) „schon weit vorgearbeitet“, um sozialrechtliche Umgehungspraktiken zu unterbinden, „und dieser Sachverhalt schaut so aus, als wäre es eine Umgehung gewesen“. Entsendungen „sind und bleiben zulässig“, betont Wratzfeld. Hier habe es sich aber um eine unbefristete Tätigkeit gehandelt, und es bestehe bei den betreffenden Arbeitnehmern wohl insgesamt „eine stärkere Nahebeziehung zu den Niederlanden als zu Zypern“.
Und darauf kommt es letztlich an. Laut Unionsrecht (Verordnung Nr. 1408/71) gilt für die sozialrechtliche Zuordnung von „fahrendem oder fliegendem Personal“grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Beschäftigerunternehmen seinen Sitz hat.
Wer überwiegend im Gebiet des Mitgliedstaates beschäftigt wird, in dem er wohnt, unterliegt jedoch den Rechtsvorschriften dieses Landes. Für niederländische Fahrer bei niederländischen Transportunternehmen sollte der Fall somit klar sein – jedenfalls, wenn tatsächlich die Transportfirmen und nicht ihr zypriotischer Vertragspartner als Arbeitgeber gelten.
Neue EU-Behörde
Müssten dann auch manche heimischen Firmen ihre Gepflogenheiten überdenken? Die eine oder andere wohl schon – ungeachtet der ohnehin strengen Rechtslage. „Unternehmen, die knapp über der Grenze Firmen gründen und von dort aus Dienste nach Österreich herein anbieten, gibt es“, sagt Josef Muchitsch, Chef der Gewerkschaft Bau-Holz. „EU-Tricksereien“würden oft das Bus- und Transportwesen betreffen, aber auch die Baubranche, etwa wenn „slowenische Firmen Leute aus Drittländern anmelden und sofort nach Österreich schicken“(und dabei einen „Rabatt“bei den Sozialabgaben nützen; „Die Presse“berichtete).
Die rechtliche Konstellation ist da eine andere; der Vorwurf des Sozialdumpings steht dennoch im Raum. Künftig solle sich die neue EU-Arbeitsbehörde ELA (European Labour Authority), die es seit Oktober gibt, solcher Fälle annehmen, sagt Muchitsch. Nachsatz: Leidtragende seien nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Unternehmen. Und diese würden das auch zunehmend erkennen.