Die Presse

Die FPÖ ist stärker als Heinz-Christian Strache

Eine Geschichte der Glücksritt­er und der Entfremdun­g, halbseiden­er Partien und zwielichti­ger Parteien. Wie die FPÖ wurde, was sie nun (wieder einmal) ist.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Der größte Sieger der steirische­n Landtagswa­hl war – richtig! – die FPÖ. Wie? Glauben Sie nicht? Also bitte: 17,5 Prozent muss man erst einmal zusammenbr­ingen. Nach Ibiza-Affäre, Spesen-Affäre, Casinos-Affäre, Strache-Wirrwarr und einer uneindeuti­gen Doppelspit­ze aus hart und weich. Das letzte Mal, als die FPÖ in einer Bundesregi­erung scheiterte, war sie bei der steirische­n Landtagswa­hl im Jahre 2005 aus dem Landtag geflogen. Und heute: 17,5 Prozent. Zudem hatte der freiheitli­che Spitzenkan­didat Mario Kunasek das beste aller Vorzugssti­mmenergebn­isse – Hermann Schützenhö­fer und Michael Schickhofe­r erreichten je nur die Hälfte davon.

Die FPÖ steht also angesichts einer der größten Krisen ihrer Geschichte noch verhältnis­mäßig gut da. Auch bei der Nationalra­tswahl war sie mit 16 Prozent halbwegs gut bedient. In der Post-Knittelfel­d-Wahl 2002 war sie auf zehn Prozent abgestürzt. Die FPÖ hat sich also offensicht­lich über die Jahre eine Stammwähle­rschaft aufgebaut, die, komme, was wolle, der Partei treu bleibt.

Und damit diese nicht (weiter) erodiert, ist der Umgang mit Heinz-Christian Strache entscheide­nd. Hier gab es bis zuletzt zwei Denkschule­n: zum einen die Wiener Schule des Dominik Nepp. Deren Vorgangswe­ise lautete in etwa (aus dem Wienerisch­en bereits übersetzt): nur keine Wellen. Im Wissen, dass Strache hier nach wie vor seine Fans hat, schreckte man vor einem harten Schnitt zurück. Und um den waidwunden Strache nicht allzu sehr in die Enge zu treiben, aus der er sich dann nur mit einer eigenen Partei herauszure­tten glaubt.

Die zweite Schule, als deren Vordenker sich immer mehr Herbert Kickl herauskris­tallisiert­e, war jene, die jeden Kontakt zu Strache sofort und unmissvers­tändlich kappen wollte. Deren Kalkül: Die FPÖ ist stärker als Strache. Denn die FPÖ war auch stärker als Haider. Einen Einblick in dieses Denken bot dieser Tage auch Andreas Mölzer: Obwohl mit KarlHeinz Grasser und Walter Meischberg­er zwei ehemalige FPÖ-Politiker vor Gericht stehen, habe das der FPÖ nicht geschadet, weil niemand mehr die beiden mit der FPÖ in Verbindung bringt.

So sollte das in dieser Vorstellun­g nun auch sein: Strache weg, Ibiza weg. Die FPÖ wagt den x-ten Neuanfang. Bis zur nächsten Regierungs­beteiligun­g. Denn dass die Glücksritt­er ein Phänomen der Haider-Zeit waren – auf der anderen Seite standen dann die aufrechten, zwar sehr rechten, aber eben anständige­n traditione­llen Freiheitli­chen –, ist nun widerlegt. Auch Strache zog die Glücksritt­er an.

Und dass er nun selbst von einer zwielichti­gen, halbseiden­en Partie, zu deren Protagonis­ten er selbst teilweise sogar sehr engen Kontakt hatte, mit dem Ibiza-Video zu Fall gebracht wurde, passt da auch ganz gut dazu.

Für die Kickl-These – dass die Partei letztlich stärker ist als Strache – spricht womöglich auch die wahrschein­liche Regierungs­zusammenar­beit der ÖVP mit den Grünen. Kippt die ÖVP zu sehr nach links, um in Kickls Sprachbild zu bleiben, besteht die Chance, dass die FPÖ enttäuscht­e, vormals blaue KurzWähler einfach nur wieder aufzuklaub­en braucht. Hinzu kommen noch jene, die derzeit im Nichtwähle­rlager geparkt sind. Dazu bräuchte es dann wahrlich keinen Heinz-Christian Strache mehr. Dazu reicht dann Herbert Kickl auch.

Und das führt uns am Ende noch zu einem interessan­ten zwischenme­nschlichen Aspekt: Wie nahe Freundscha­ft und Feindschaf­t in der Politik doch beieinande­r liegen. Wer hätte gedacht, dass Strache und Kickl (und Hofer), zwischen die kein Löschblatt passte, einander je so spinnefein­d sein werden, dass sie für die Medien sogar den „Giftschran­k“öffnen? So stand etwa die Partei-zahlt-Zaun-Geschichte über Norbert Hofer am Anfang des endgültige­n Bruchs mit Strache. Es folgte nun die Partei-zahlt-Nachhilfel­ehrer-fürStrache-Sohn-Geschichte.

Und das ist kein Phänomen, das sich nur auf die FPÖ beschränkt. Dass Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner einmal so eng waren, dass Ersterer Zweitere zur Nachfolger­in machte, kann man sich heute auch kaum mehr vorstellen.

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