Die FPÖ ist stärker als Heinz-Christian Strache
Eine Geschichte der Glücksritter und der Entfremdung, halbseidener Partien und zwielichtiger Parteien. Wie die FPÖ wurde, was sie nun (wieder einmal) ist.
Der größte Sieger der steirischen Landtagswahl war – richtig! – die FPÖ. Wie? Glauben Sie nicht? Also bitte: 17,5 Prozent muss man erst einmal zusammenbringen. Nach Ibiza-Affäre, Spesen-Affäre, Casinos-Affäre, Strache-Wirrwarr und einer uneindeutigen Doppelspitze aus hart und weich. Das letzte Mal, als die FPÖ in einer Bundesregierung scheiterte, war sie bei der steirischen Landtagswahl im Jahre 2005 aus dem Landtag geflogen. Und heute: 17,5 Prozent. Zudem hatte der freiheitliche Spitzenkandidat Mario Kunasek das beste aller Vorzugsstimmenergebnisse – Hermann Schützenhöfer und Michael Schickhofer erreichten je nur die Hälfte davon.
Die FPÖ steht also angesichts einer der größten Krisen ihrer Geschichte noch verhältnismäßig gut da. Auch bei der Nationalratswahl war sie mit 16 Prozent halbwegs gut bedient. In der Post-Knittelfeld-Wahl 2002 war sie auf zehn Prozent abgestürzt. Die FPÖ hat sich also offensichtlich über die Jahre eine Stammwählerschaft aufgebaut, die, komme, was wolle, der Partei treu bleibt.
Und damit diese nicht (weiter) erodiert, ist der Umgang mit Heinz-Christian Strache entscheidend. Hier gab es bis zuletzt zwei Denkschulen: zum einen die Wiener Schule des Dominik Nepp. Deren Vorgangsweise lautete in etwa (aus dem Wienerischen bereits übersetzt): nur keine Wellen. Im Wissen, dass Strache hier nach wie vor seine Fans hat, schreckte man vor einem harten Schnitt zurück. Und um den waidwunden Strache nicht allzu sehr in die Enge zu treiben, aus der er sich dann nur mit einer eigenen Partei herauszuretten glaubt.
Die zweite Schule, als deren Vordenker sich immer mehr Herbert Kickl herauskristallisierte, war jene, die jeden Kontakt zu Strache sofort und unmissverständlich kappen wollte. Deren Kalkül: Die FPÖ ist stärker als Strache. Denn die FPÖ war auch stärker als Haider. Einen Einblick in dieses Denken bot dieser Tage auch Andreas Mölzer: Obwohl mit KarlHeinz Grasser und Walter Meischberger zwei ehemalige FPÖ-Politiker vor Gericht stehen, habe das der FPÖ nicht geschadet, weil niemand mehr die beiden mit der FPÖ in Verbindung bringt.
So sollte das in dieser Vorstellung nun auch sein: Strache weg, Ibiza weg. Die FPÖ wagt den x-ten Neuanfang. Bis zur nächsten Regierungsbeteiligung. Denn dass die Glücksritter ein Phänomen der Haider-Zeit waren – auf der anderen Seite standen dann die aufrechten, zwar sehr rechten, aber eben anständigen traditionellen Freiheitlichen –, ist nun widerlegt. Auch Strache zog die Glücksritter an.
Und dass er nun selbst von einer zwielichtigen, halbseidenen Partie, zu deren Protagonisten er selbst teilweise sogar sehr engen Kontakt hatte, mit dem Ibiza-Video zu Fall gebracht wurde, passt da auch ganz gut dazu.
Für die Kickl-These – dass die Partei letztlich stärker ist als Strache – spricht womöglich auch die wahrscheinliche Regierungszusammenarbeit der ÖVP mit den Grünen. Kippt die ÖVP zu sehr nach links, um in Kickls Sprachbild zu bleiben, besteht die Chance, dass die FPÖ enttäuschte, vormals blaue KurzWähler einfach nur wieder aufzuklauben braucht. Hinzu kommen noch jene, die derzeit im Nichtwählerlager geparkt sind. Dazu bräuchte es dann wahrlich keinen Heinz-Christian Strache mehr. Dazu reicht dann Herbert Kickl auch.
Und das führt uns am Ende noch zu einem interessanten zwischenmenschlichen Aspekt: Wie nahe Freundschaft und Feindschaft in der Politik doch beieinander liegen. Wer hätte gedacht, dass Strache und Kickl (und Hofer), zwischen die kein Löschblatt passte, einander je so spinnefeind sein werden, dass sie für die Medien sogar den „Giftschrank“öffnen? So stand etwa die Partei-zahlt-Zaun-Geschichte über Norbert Hofer am Anfang des endgültigen Bruchs mit Strache. Es folgte nun die Partei-zahlt-Nachhilfelehrer-fürStrache-Sohn-Geschichte.
Und das ist kein Phänomen, das sich nur auf die FPÖ beschränkt. Dass Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner einmal so eng waren, dass Ersterer Zweitere zur Nachfolgerin machte, kann man sich heute auch kaum mehr vorstellen.