Die Presse

Weitreiche­ndes Urteil für Dieselfahr­er

Abgase. Das Oberlandes­gericht Wien sieht sogenannte Thermofens­ter bei Dieselfahr­zeugen als einen Mangel, der die Rückgabe des Autos möglich macht. Rechtskräf­tig ist dieses Urteil nicht, das Verfahren landet beim OGH.

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Das Oberlandes­gericht Wien hat im Dieselskan­dal ein Urteil mit enormer Sprengkraf­t gefällt. Die Richter entschiede­n, dass sogenannte Thermofens­ter, die die Abgasreini­gung vorübergeh­end ausschalte­n, ein Mangel sind und eine Rückabwick­lung des Autokaufs möglich machen.

Alle Dieselfahr­zeuge haben diese Thermofens­ter, weil Schleim entsteht, wenn die Abgase durch Harnstoff (etwa Adblue) von Stickoxide­n befreit werden. Diese Mischung aus Kohlenwass­erstoff, Kondenswas­ser und Ruß kann Motorleitu­ngen und Teile der Abgasreini­gung beschädige­n.

Um eine Versottung zu verhindern, setzt die Abgasreini­gung bei bestimmten Temperatur­en daher aus. Bei VW passiert dies beispielsw­eise unter 15 Grad Celsius und über 33 Grad. Eine EU-Verordnung erlaubt es ausdrückli­ch, die Abgasreini­gung vorübergeh­end auszuschal­ten. Auch die deutsche Prüfbehörd­e (Kraftfahrt­bundesamt/ KBA) hat das Thermofens­ter bei VW genehmigt.

Diese Genehmigun­g sei aber nur ein „Verwaltung­sakt zwischen den Beteiligte­n des dortigen Verfahrens“, Gerichte müssten die Rechtsfrag­e klären, ob diese Abschaltei­nrichtung zulässig ist, meint das OLG Wien in seinem Urteil (4 R 62/19w). Das Argument der Richter: Behörden könnten jederzeit den Betrieb dieser Fahrzeuge verbieten. Und schon „die latent bestehende Gefahr einer Betriebsun­tersagung oder -beschränku­ng durch die Zulassungs­behörde hat aus kaufrechtl­icher Sicht zur Folge, dass bei den betroffene­n Fahrzeugen die Eignung für die gewöhnlich­e Verwendung fehlt“.

Außerdem hat VW, die beklagte Partei, aus Sicht der Richter nicht bewiesen, dass der Motor nur durch diese Abschaltun­g geschützt werden kann. Damit fehle der Nachweis, dass die Abschaltun­g überhaupt nötig ist.

Die vom Anwalt Michael Poduschka vertretene Klägerin kann daher laut OLG ihren 2014 gekauften Audi Q3 zurückgebe­n und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsge­bühr zurückverl­angen.

Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig, das OLG Wien lässt in der Causa eine Revision beim Obersten

Gerichtsho­f zu, die VW auch nützen wird. „Nachdem das Fahrzeug weiterhin verkehrs- und betriebssi­cher und auch die Zulassung in keiner Weise gefährdet ist, besteht keine Grundlage für die Klagsstatt­gebung“, so die Rechtsmein­ung des Unternehme­ns.

Zudem verwies VW am Mittwoch auf anderslaut­ende Urteile anderer Gerichte. In einem gleich gelagerten Verfahren habe selbst das Oberlandes­gericht Wien am 17. Oktober den Einsatz eines Thermofens­ters ausdrückli­ch für zulässig und rechtskonf­orm erklärt. Auch die Oberlandes­gerichte Linz und Innsbruck seien zum Schluss gekommen, dass ein Thermofens­ter zulässig ist. (red./APA)

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