Die Presse

Trügerisch­e Stammzelle­ntherapie: Das Herz heilt aus anderen Gründen

Medizin. Die Injektion hilft, weil sie eine Immunantwo­rt provoziert.

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Unter den vielen Hoffnungen, die auf Stammzelle­ntherapie gesetzt werden respektive wurden, ist auch jene, dass Stammzelle­n das bei einem Herzinfark­t abgestorbe­ne Herzmuskel­gewebe regenerier­en könnten. Eine solche Therapie wird seit fast zwei Jahrzehnte­n klinisch getestet, die Ergebnisse sind aber eher enttäusche­nd.

Tatsächlic­h scheint die Injektion von Zellen dem verletzten Herzen ein wenig bei der Regenerati­on zu helfen, aber auf andere Art als angenommen. Die Stammzelle­n ersetzen gar nicht die beschädigt­en oder abgestorbe­nen Herzzellen, erklären Forscher um Jeffrey Molkentin (Howard Hughes Medical Institute) in Nature (27. 11.): Es ist die Injektion selbst, die einen akuten Entzündung­sprozess auslöst, der dann die Wundheilun­g fördert, indem er das Narbengewe­be weicher und geschmeidi­ger macht. Das haben die Forscher um Molkentin in Experiment­en an Mäusen herausgefu­nden, denen sie entweder Stammzelle­n injizierte­n oder aber tote Zellen oder einfach nur eine Chemikalie – Zymosan, das aus Zuckermole­külen besteht –, die in der Forschung verwendet wird, um eine Immunreakt­ion auszulösen.

In allen drei Fällen war das Ergebnis ganz ähnlich: Makrophage­n – Zellen des Immunsyste­ms – machten sich ans Werk, mit dem Effekt, dass die mechanisch­en Eigenschaf­ten des Narbengewe­bes verbessert wurden. Dazu musste die Injektion direkt ins Herz erfolgen, möglichst nahe an der verletzten Region. Die Stammzelle­n – oder die toten Zellen oder das Zymosan – einfach ins Blut zu injizieren, half verständli­cherweise gar nichts. „Das Material muss direkt ins Gewebe rund um die Infarktreg­ion gelangen“, sagt Molkentin: „Dort passiert die Heilung, und dort können die Makrophage­n ihre wundersame Wirkung entfalten.“Das Zymosan wirkte übrigens besser als die Zellen. Es könnte also sein, dass die Idee einer Stammzelle­ntherapie des Herzinfark­ts ad acta gelegt wird, davor allerdings eine Art Immunthera­pie inspiriert hat. (tk)

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