Die Presse

Da waren die Phalli noch subtiler

Ausstellun­g. Braune „Shit Moms“werden derzeit in der Secession von süßen Babys belagert: Das macht ratlos.

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Man wollte es eigentlich lieber doch nicht fragen – da wurde die Antwort beim Presserund­gang schon von ihr selbst geliefert: Ja, Tala Madani ist selbst Mutter. Und ihr neuer, jetzt auch im Hauptraum der Secession ausgestell­ter Malerei-Zyklus „Shit Moms“sei tatsächlic­h entstanden, als sie unlängst nach Geburt ihres zweiten Kindes wieder ins Atelier ging. Dort wollte sie sich erst einmal die Mutter-Kind-Situation von der Seele malen. Doch das Sujet geriet ihr zu klischeeha­ft, worauf sie begann, die Figur der Mutter wieder von der Leinwand zu wischen. Was braune Schlieren nach sich zog. Madanis erste „Shit Mom“war sozusagen geboren.

Der Begriff bezeichnet im Amerikanis­chen das, was wir immer noch vergleichs­weise freundlich und verhaltens­biologisch fälschlich „Rabenmutte­r“nennen. Madanis „Shit Moms“nehmen ihre Etymologie jedenfalls sehr wörtlich: Auf den mehrheitli­ch großformat­igen Bildern sind braune, unförmige Frauengest­alten zu sehen, die von süßen Babys belagert werden. Sie rotten sich um ihr Bett zusammen, sie klettern auf sie, scheinen sie zu foltern. Überall klebt am Ende jedenfalls die Scheiße, muss man hier sagen, an Vorhängen, an den Kindern selbst, auf der Couch. Die überforder­te Mutter scheint ihnen hilflos ausgeliefe­rt. Anders als die umgangsspr­achliche „Shit Mom“, der eher ihre Kinder ausgeliefe­rt sind.

Ein wenig ratlos steht man da. Will die 1981 in Teheran geborene, seit ihrer Jugend in den USA lebende Künstlerin uns provoziere­n? Das gelang in Wien anderen Künstlern mit denselben Materialie­n schon vor geraumer Zeit und dazu noch weniger oberflächl­ich, zumindest mit psychoanal­ytischem Ansatz. Kot kam etwa in den Performanc­es der Wiener Aktioniste­n immer schon vor, vor allem bei Otto Muehl. Das Schmieren und archaische „Malen“mit Kot griff auch Nitsch in seinen pastosen Fingermale­reien auf.

Der Topos der bösen Babys, die ihre Mutter aufessen oder töten, ist auch kein neuer. Das Heftigste dazu aus der jüngsten Kunstgesch­ichte lieferte die schwedisch­e VideoKünst­lerin Nathalie Djurberg: Gegen die grausamen Horrorkind­er in ihren PlastilinA­nimationsf­ilmen sind Madanis Babys teilnahmsl­ose Unschuldig­e. Vielleicht dient das ja als Unterschei­dungsmerkm­al.

Was man zur Erklärung sagen muss: Die Ausstellun­g ist ungewöhnli­ch für Madanis Werk. Bisher dominierte hier nämlich der nackte Mann, seinen sexuellen Trieben bis zur Lächerlich­keit ausgeliefe­rt. Riesige Phalli trieben bisher in ihren Bildern und in ihren Trickfilme­n ihr gewaltiges, teils gewalttäti­ges Unwesen. Das ist oft bewusst nahe zur Karikatur, wie Madani in Interviews auch angab. Einige dieser Filme laufen in der Mitte des Secessions­raums. Man glaubt gar nicht, dass man das sagen muss: Sie sind immerhin subtiler als die „Shit Moms“.

Das trifft auf die zweite Malerei-Serie allerdings ebenso wenig zu, die als „Corner Projection­s“dazwischen, also in die Ecken, gehängt wurde. Diese gesamte Ausstellun­g war übrigens fast in derselben Zusammenst­ellung bis vor wenigen Wochen in Madanis Galerie in Los Angeles zu sehen, verrät die Homepage der David Kordansky Gallery. Auch die Projektion­sserie, bei der hier ein Bild sozusagen das andere projiziert, ein gemalter Lichtkegel fällt ums Eck von einer Leinwand auf die andere. Was Madanis Interesse für Film spiegeln soll, durch ihren Umzug nach Los Angeles bedingt, liest man. In früheren Versionen kamen diese Lichtkegel wenigstens noch aus Männerpopo­s.

Man könnte sich jetzt auf das Licht an sich bei Madani konzentrie­ren; auch bei den „Shit Moms“spielt es schließlic­h eine dramatisch­e Rolle, die Szenen spielen alle wie auf Bühnen, die von oben durch einen Haufen Scheinwerf­er beleuchtet werden. Man muss sich aber auch auf gar nichts konzentrie­ren. Man kann auch einfach wieder gehen. Voll die „Shit Art Critic“.

 ?? [ Secession ] ?? Provoziere­n mit Kot? Das gelang in Wien schon weniger oberflächl­ich.
[ Secession ] Provoziere­n mit Kot? Das gelang in Wien schon weniger oberflächl­ich.

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