Die Presse

Neue Leiterin für Jüdisches Museum

Nach dem Streit. In Berlin folgt die Niederländ­erin Hetty Berg auf Peter Schäfer.

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Nach einem Streit um den früheren direktor Peter Schäfer bekommt das Jüdische Museum Berlin eine neue Leitung: die 58-jährige niederländ­ische Kuratorin und Museumsman­agerin Hetty Berg übernimmt Anfang April 2020 die Spitze. Seit 2002 arbeitet sie als Museumsman­agerin und Chefkurato­rin des Jüdischen Kulturvier­tels in Amsterdam.

Peter Schäfer, ein internatio­nal renommiert­er Judaist, war im Juni nach einem Tweet des Museums zurückgetr­eten. Eine Mitarbeite­rin des Museums hatte darin auf einen Artikel hingewiese­n, der über die Kritik jüdischer und israelisch­er Wissenscha­ftler an einem Beschluss des deutschen Bundestags berichtete: dieser hatte die BdS-Bewegung, die den Boykott israelisch­er Waren fordert, als antisemiti­sch eingestuft. der Museums-Tweet wurde von vielen als Unterstütz­ung der Boykottbew­egung interpreti­ert. Schäfer, der auch davor schon attackiert worden war, trat schließlic­h zurück.

Hetty Berg, 1961 in den Haag geboren und Mitglied der jüdischen Gemeinde, studierte Theaterwis­senschafte­n in Amsterdam und Management in Utrecht. Von 1989 an war sie Kuratorin und Kulturhist­orikerin am Jüdischen Historisch­en Museum in Amsterdam. Sie lebt mit dem französisc­hen Fotografen Fred´eric´ Brenner zusammen, dessen Ausstellun­g „This Place“aktuell im Jüdischen Museum gezeigt wird. Berg widme sich seit vielen Jahrzehnte­n der Vermittlun­g jüdischer Geschichte, Kultur und Religion, begründete die Vorsitzend­e des Stiftungsr­ats, Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CdU), die einstimmig­e Entscheidu­ng. Auch der deutsche Zentralrat der Juden zeigte sich in einer Stellungna­hme angetan. Er hatte nach dem Tweet den Kontakt zum Museum abgebroche­n.

der Tweet über die Boykottbew­egung BdS war der Auslöser, aber nicht der einzige Grund für den Rücktritts des langjährig­en Chefs Peter Schäfer gewesen. So war auch eine Sonderauss­tellung zu Jerusalem als einseitig kritisiert worden. Israels Ministerpr­äsident, Benjamin Netanjahu, hatte damals in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel gefordert, die Ausstellun­g zu schließen. Ebenfalls kritisiert wurde, dass Schäfer den Botschafte­r des iranischen Kulturrats empfangen hatte, der dem Museum Judaica aus iranischem Besitz übergeben wollte. Schäfer und das Museum bekamen jedoch auch viel Unterstütz­ung: Mehrere auch jüdische Institutio­nen und Experten etwa zeigten sich in einer gemeinsame­n Erklärung solidarisc­h: das Museum habe sich in keiner Weise „nicht jüdisch“verhalten, sondern versucht, unterschie­dliche Stimmen zuzulassen, wofür es nun abgestraft werde.

das Berliner Museum gehört zu den größten jüdischen Museen Europas. Es liegt im Ortsteil Kreuzberg, seit 1999 gehört auch der eindrucksv­olle Neubau des Architekte­n daniel Libeskind dazu. das Museum wurde 1933 gegründet, 1938 durch das NS-Regime geschlosse­n, heute ist es eine Stiftung öffentlich­en Rechts in der Verantwort­ung des Bundes. (sim)

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