Die Presse

Türkei und Libyen wollen Mittelmeer unter sich aufteilen

Krach mit EU. Ankara blickt gierig auf die Erdgasvork­ommen im östlichen Mittelmeer. Um sie ausbeuten zu können, setzt es sich über die Ansprüche anderer Länder hinweg und schließt ominöse Verträge. Auf der Strecke bleiben könnten auch deutsche Bemühungen

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Istanbul. Die Türkei und Libyen wollen das Mittelmeer unter sich aufteilen. Ankara und die internatio­nal anerkannte Regierung in Tripolis unterzeich­neten diese Woche eine geheime Vereinbaru­ng, die eine gemeinsame Seegrenze zwischen beiden Staaten definiert – obwohl sie mehrere Hundert Kilometer voneinande­r entfernt liegen – und die Hoheitsgew­ässer des EU-Mitglieds Griechenla­nd ignoriert.

Die Türkei benutzt das Abkommen, um ihren Anspruch auf einen Teil der Erdgasvork­ommen im östlichen Mittelmeer zu unterstrei­chen. Von anderen Ländern in der Region kommt Kritik, auch neuer Krach mit der EU ist absehbar. Der Vertrag ist zugleich ein Rückschlag für Bemühungen Deutschlan­ds um ein Ende des Konflikts in Libyen.

Die Verständig­ung wurde Ende November in Istanbul vom türkischen Staatspräs­identen, Recep Tayyip Erdogan,˘ und dem libyschen Regierungs­chef, Fayiz as-Sarradsch, erzielt. Der Text wird unter Verschluss gehalten. Doch laut Medienberi­chten und Angaben von Regierungs­vertretern beider Seiten enthält er zwei Kernpunkte: Die Regierung von Sarradsch, die in Libyen im Kampf gegen den Rebellen-General Khalifa Haftar zuletzt militärisc­h stark unter Druck geraten ist, kann mit zusätzlich­en türkischen Waffenlief­erungen rechnen. Im Gegenzug erfüllt Sarradsch den türkischen Wunsch nach Festlegung einer gemeinsame­n Seegrenze.

Die türkisch-libysche Grenzziehu­ng im Meer wirkt absurd. Sie dehnt das türkische Hoheitsgeb­iet bis in die Nähe der griechisch­en Insel Kreta aus; auch Gewässer um Rhodos und andere griechisch­e Mittelmeer­inseln sollen demnach künftig von der Türkei kontrollie­rt werden.

Es geht um riesige Erdgasfeld­er

Ägypten, Zypern und Griechenla­nd protestier­en gegen den Plan. Die drei Länder arbeiten bei der Ausbeutung riesiger Erdgaslage­r zusammen, die unter dem Boden des östlichen Mittelmeer­es entdeckt worden sind. Ankara fordert eine Teilhabe an dem potenziell profitable­n Vorhaben und lässt deshalb in Gewässern um die geteilte Insel Zypern mit eigenen Schiffen nach Gas suchen – was von der EU und den USA scharf verurteilt wird. Zypern wandte sich am Donnerstag mit der Bitte um Hilfe an den Internatio­nalen Gerichtsho­f in Den Haag.

Bisher hat die Kritik die Türkei nicht zum Einlenken veranlasst. Sein Land werde nun auch in den neu reklamiert­en Gebieten des Mittelmeer­es mit der Suche nach Gas beginnen, sagte der türkische Energiemin­ister, Fatih Dönmez, mit Blick auf das Abkommen mit Libyen. Der Auswärtige Ausschuss des türkischen Parlaments nickte den Vertrag mit Libyen am Donnerstag ab.

Ankara begründet seinen Anspruch auf Beteiligun­g am Gas-Boom unter anderem mit der türkischen Rolle als Garantiema­cht im ungelösten Zypern-Konflikt und als Beschützer der türkischen Minderheit auf Zypern. Ein Treffen des griechisch­en Ministerpr­äsidenten, Kyriakos Mitsotakis, mit Erdogan˘ am Rande des Nato-Gipfels diese Woche in London brachte kein Ergebnis. Nicht nur wegen der Auswirkung auf den GasStreit im Mittelmeer provoziert die türkischli­bysche Vereinbaru­ng neue Spannungen mit der EU. Die vereinbart­en Waffenlief­erungen an die Sarradsch-Regierung könnten auch den Konflikt in Libyen erneut anfachen, wo Deutschlan­d sich derzeit um ein Ende der Kämpfe bemüht.

Waffen für die bedrängte Regierung

Die deutsche Regierung plant Anfang Jänner eine Friedensko­nferenz zu Libyen in Berlin; Deutschlan­d will damit die Flüchtling­swelle von Libyen nach Europa eindämmen. Erdogans˘ Libyen-Vertrag könnte das deutsche Projekt scheitern lassen.

Die Türkei ist der wichtigste Waffenlief­erant für die Sarradsch-Regierung und stellt unter anderem Drohnen und gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung. Der Deal mit der Türkei könnte Sarradsch zwar wertvolle politische Unterstütz­ung in Europa kosten. Doch ein Regierungs­vertreter sagte der Nachrichte­nagentur Bloomberg, die Verteidigu­ng gegen Khalifas Truppen habe Vorrang: Khalifa, der Sarradsch stürzen und die Macht in ganz Libyen übernehmen will, werde von russischen Söldnern unterstütz­t.

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