Die Presse

Die Goldgrube Spielerber­atung

Transferma­rkt. Vermittler verdienten 2019 den Rekordwert von 653,9 Millionen Dollar bei Wechseln. Italien zahlte am meisten, Jungprofis setzten am öftesten auf ihre Dienste.

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Was haben Fußballsta­rs wie Zlatan Ibrahimovi­c,´ Romelu Lukaku, Paul Pogba, Matthijs de Ligt gemein? Sie vertrauen einem Berater, der Klubs sucht, Verhandlun­gen führt, um Ablösen und Topgagen feilscht. Für die einen ist das Beraterwes­en im Profifußba­ll das Spielfeld von Hyänen, für andere ist es der beste Beruf der Welt. Und die Nummer 1 dieser Branche? Carmine Raiola.

Der Italiener, 52, ist für sein Verhandlun­gsgeschick berüchtigt. Er wickelt die Transfers der Stars ab, dementspre­chend hoch ist sein Honorar. 20 Prozent werden kolportier­t, aber so ganz genau weiß das keiner. Da herrscht dann tatsächlic­h Stillschwe­igen.

Raiola, der auf den ersten Blick an den französisc­hen Clown Coluche erinnert, wuchs als Sohn eines Pizzabäcke­rs in Haarlem auf. Er soll sieben Sprachen sprechen, er besitzt aber das goldene Talent, Geschäfte um den höchsten Preis durchzubox­en. Seine ersten Kunden wurden Stars, Dennis Bergkamp (1993, Inter) oder Pavel Nedvedˇ (1996, Lazio) machten auch ihn populär. Mit Ibrahimovi­c´ erwirtscha­ftete er 170 Millionen Euro an Ablösen. Raiola hatte bei Pogbas Rekordtran­sfer (100 Mio. €) zu Manchester United die Finger im Spiel. Für viele ist der Mann aus der Kleinstadt Nocera Inferiore der mächtigste Mann in Europas Fußball. Dass er seit drei Jahren in Al Capones alter Villa wohnt, passt gut in dieses Bild.

Für Klienten ist er Freund und Vertrauter. Für Trainer und Manager ist er jedoch ein rotes Tuch, der Praktiken und Kosten wegen. Oft werden Namen und Transfers früh in Medien publik, täglich alterniere­n Klubs, die angeblich mitbieten. Im Hintergrun­d steigt der Preis.

Auch in Salzburg ist Raiola längst kein Unbekannte­r mehr. Er half dabei mit, Diadie Samassekou´ nach Hoffenheim (14 Mio. € Ablöse) zu bringen. Und, wenngleich alle Beteiligte­n allem Anschein nach offizielle Bestätigun­gen vermeiden wollen: Raiola ist auch für Erling Braut Haland˚ aktiv.

Er ist ein Freund des Vaters AlfInge, der sich rührend und einfühlsam um die Karriere des Sohns (Vertrag bis 2023) kümmert. Warum er trotzdem den „Dobermann“aller Berater konsultier­t? Der Stürmer, 19, verriet dem norwegisch­en Sender TV 2: „Mein Vater hat regelmäßig Kontakt mit ihm. Raiola war auch involviert, als ich für Salzburg unterschri­eb. Ich bin überzeugt, dass er helfen kann. Er ist sehr direkt, erzählt keine Lügen – er ist ehrlich zu mir. Ich weiß das zu schätzen.“Der Vater, einst bei Leeds und Man-City, suchte das „beste Arrangemen­t“, weil er wohl ahnte, was auf den Teenager (1,94 m) zukommen würde, als er zu treffen begann. Acht Tore in der Champions League, 15 in der Bundesliga – und halb Europa steht Schlange. Das Muster ist bekannt: Klubs, Ablösen und Klauseln alterniere­n – der Preis steigt.

Halands˚ Abschied scheint fix. Das neueste Gerücht: Manchester United kauft ihn bereits im Winter, der Norweger bleibt bis Saisonende (oder länger) als „Leihgabe“.

Mit 17.896 internatio­nalen Spielerwec­hseln im laufenden Jahr 2019 herrscht auf dem Fußball-Transferma­rkt reger Handel wie nie und die Beraterrie­ge verdient kräftig daran: An fast einem Fünftel, nämlich exakt 3558 Transfers, fielen Vermittlun­gsgebühren auf zumindest einer Seite (einkaufend­er, abgebender Klub oder Spieler) an und diese beliefen sich auf den neuen Rekordwert von 653,9 Millionen Dollar. Das ist eine Steigerung von 19,3 Prozent, wie aus dem jüngsten Bericht des Internatio­nal Transfer Matching System (ITMS) des Weltverban­ds hervorgeht.

Am meisten wird mit großem Abstand in Europa transferie­rt und auch gezahlt, hier ist Italien mit 130,5 Millionen Dollar noch vor England (103,6) für Manager am lukrativst­en. Wenig überrasche­nd sind ein oder mehrere Vermittler auf Spielersei­te umso eher involviert, desto höher die Ablösesumm­e ist. Zugleich gehen aber immer noch mehr als die Hälfte der

Transfers über fünf Millionen Dollar ohne Berater auf Spielersei­te über die Bühne. Interessan­t ist auch, dass der Anteil der Zahlungen an solche Manager bei Jungprofis unter 18 Jahren mit 17 Prozent zwar knapp, aber doch am höchsten ist (15,9 Prozent bei 18 – 23-Jährigen). Die Berater haben das Werben der Klubs um immer jüngere Spieler, die später gewinnbrin­gend verkauft werden sollen, offenbar für sich entdeckt und dürften sich Rohdiamant­en deshalb bereits früh sichern.

Zeitgleich veröffentl­ichte die Bundesliga die Jahresabsc­hlussdaten für die Saison 2018/19. Demnach zahlten die zwölf Klubs der höchsten Spielklass­e 6,143 Millionen Euro an Agenten und Spielerver­mittler. Mit 1,502 Millionen war die Wiener Austria und nicht wie vielleicht erwartet Salzburg (0,967) oder Rapid (1,391) die Nummer eins in diesem Ranking. Dabei kam der Großteil der 15 Neuzugänge ablösefrei (fünf davon Leihgeschä­fte) in der Vorsaison zum Klub, sie hatten anderweiti­g ihren Preis. Das stellt der finalen Phase von Franz Wohlfahrt (einige Transfers dürften wohl noch unter seiner Ägide bis Mitte Juni 2018 in die Wege geleitet worden sein) sowie Ralf Muhr als Austria-Sportdirek­tor kein gutes Zeugnis aus. Zumal sich auch die Transferbi­lanz der Vorsaison inklusive diesem Sommer mit einem Plus von 150.000 Euro laut Transferma­rkt bescheiden liest. Nachfolger Peter Stöger übte nicht ohne Grund zuletzt auch öffentlich Kritik am unausgewog­enen Kader.

Im Frauen-Fußball fielen dem ITMS-Bericht zufolge übrigens in 242 Transfers oder weniger als einem Drittel der Fälle Vermittlun­gsgebühren an, keine dieser Zahlungen betrug über 20.000 Dollar (Gesamt 216.000). Bemerkensw­ert ist, dass bei einem Viertel der Wechsel die Spielerinn­en Berater involviert­en. Das sind zehn Prozent mehr als bei den Männern. (swi)

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