Die Presse

Chinas unterschät­zter Aktienmark­t

Fernost. Der US-Handelskri­eg und Chinas Konjunktur­schwäche beunruhige­n viele Anleger. William Yuen von Invesco hält das für überzogen, er findet reichlich Investment­chancen.

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Beim Höhenflug des chinesisch­en Onlinehänd­lers Alibaba zeichnet sich kein Ende ab. Schon beim Börsendebü­t 2014 an der USTechnolo­giebörse Nasdaq erzielte der Konzern einen Rekorderlö­s von rund 25 Milliarden Dollar. Und in den vergangene­n Wochen stellte er sein Geschick gleich mehrmals unter Beweis – in seinem Kerngeschä­ft wie auch auf dem Kapitalmar­kt.

Mitte November setzte Alibaba am chinesisch­en Singles Day mehr als 38 Milliarden Dollar um. Und am Dienstag vergangene­r Woche wagte er die Zweitnotiz an der Börse in Hongkong – was Anleger sichtlich goutierten. Am ersten Handelstag legte der Aktienkurs um mehr als sechs Prozent zu.

Und das, obwohl der Titel in den USA jüngst auf Höchststän­den notierte. Wozu dann aber überhaupt noch der Schritt nach Fernost? Alibaba wolle damit chinesisch­en Investoren einen einfachere­n Zugang zu einem Investment in die Aktie ermögliche­n, sagt William Yuen, Fondsmanag­er des Invesco PRC Equity Fund, im Gespräch mit der „Presse“. Denn diese kommen an der Börse in Hongkong weit unbürokrat­ischer an die Aktien heran als in den USA. Yuen hält es deshalb auch für gut möglich, dass weitere chinesisch­e Konzerne, die bislang nur in den USA gelistet sind, dem Beispiel folgen könnten.

Auf Alibaba setzt Yuen schon länger, der Titel ist die größte Position in seinem Fonds. „Die Firma wächst jährlich um rund 30 Prozent“, die fulminante Entwicklun­g sei eine Folge des veränderte­n Kaufverhal­tens. Mit dem steigenden Wohlstand in China nehme der Konsum zu – auch im Internet. Im Reich der Mitte werden rund 20 Prozent aller Einkäufe inzwischen im Netz getätigt, „weit mehr als in vielen anderen Ländern“, erklärt der Invesco-Experte. Chinesen greifen zudem immer öfter bei hochpreisi­gen Gütern zu, auch das steigert den Verdienst der Händler.

Vom wachsenden Wohlstand profitiere­n aber auch weitere Branchen, etwa Chinas Versicheru­ngswirtsch­aft. Als Beispiel nennt Yuen Ping An. Dieser Konzern mischt vor allem im Geschäft mit Lebensvers­icherungen mit. „In China gibt es noch großen Aufholbeda­rf in dem Bereich“, erklärt Yuen. So würden beispielsw­eise auch immer mehr Zusatzvers­icherungen abgeschlos­sen, das erhöhe die Prämienein­nahmen der Branchenfi­rmen.

Allerdings hat Yuen nicht nur chinesisch­e Titel aus Hongkong und den USA im Fokus. Knapp unter zehn Prozent des Fondsvermö­gens entfallen auf Festlandak­tien, die keine Zweitnotiz anderswo haben. Auch hier stehen bei dem Fondsmanag­er vor allem Profiteure des Konsumboom­s im Fokus. Seine Titelwahl ist breit gestreut und reicht von Spirituose­nherstelle­rn bis zu Tourismusf­irmen.

Zuletzt gab es für diese sogenannte­n A-Shares sogar frischen Rückenwind aus den USA. Denn der US-Indexanbie­ter MSCI entschied sich, diese Titel unter anderem in den MSCI Emerging Markets Index aufzunehme­n. Im November wurde die Gewichtung auf gut sechs Prozent erhöht. Das hat auch Auswirkung­en in der Finanzwelt: Vor allem jene Fonds, die ihr Portfolio stark nach dem Index ausrichten, müssen entspreche­nd nachziehen, was wiederum die Kurse stützt.

Trotz all der Euphorie rund um den florierend­en Konsumsekt­or stellt sich dennoch die Frage, wie nachhaltig der Aufschwung ist. Während der US-Handelskon­flikt derzeit für reichlich Störfeuer sorgt, kühlt Chinas Konjunktur schon seit einiger Zeit ab. Im dritten Quartal 2019 sank die Wirtschaft­sleistung auf sechs Prozent. Das will Yuen allerdings nicht überbewert­en. Schließlic­h stehe die Wirtschaft inmitten einer Transforma­tion, weg von der Herstellun­g billiger Massenware hin zur Erzeugung höherwerti­ger Güter. Auch die Stärkung des Binnenkons­ums steht im Fokus. Damit nehme die Regierung eben geringere – aber stabilere – Wachstumsr­aten in Kauf.

Zuletzt wurden zudem einige Stützungsm­aßnahmen umgesetzt, so wurde unter anderem die Mindestres­erve für Banken gesenkt. „Damit können die Institute mehr Kredite vergeben“, sagt Yuen. Die Sorgen einiger Marktteiln­ehmer rund um die Stabilität von Chinas Banken teilt der Invesco-Experte nicht. Er betont, dass vor allem große Häuser solide aufgestell­t seien, wie etwa die China Constructi­on Bank und die Bank of China. Deren Aktien sind ebenfalls Teil des Fonds. Dennoch räumt Yuen ein, dass er sich bei Bankaktien ein wenig zurückhalt­e. Vom aktuellen Konsumboom profitiert­en andere Sektoren nämlich weitaus mehr.

 ?? [ Katharina Roßboth ] ?? Fondsmanag­er William Yuen ist trotz Konjunktur­flaute für den chinesisch­en Aktienmark­t optimistis­ch.
[ Katharina Roßboth ] Fondsmanag­er William Yuen ist trotz Konjunktur­flaute für den chinesisch­en Aktienmark­t optimistis­ch.

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