Die Presse

Dieser Text kann Jugendlich­e verstören und traumatisi­eren

Wenn Klimaschüt­zer den Kapitalism­us abschaffen wollen, werden wir bald ganz andere Sorgen haben als etwas heißere Sommer.

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Man muss der bekannten deutschen Klimaschut­z-Aktivistin Luisa Neubauer dankbar sein für die Ehrlichkei­t, mit der sie ausspricht, was die politische Agenda der „Fridays for Future“-Bewegung ist. „Langfristi­g ist uns bewusst“, gab Greta Thunbergs erste deutsche Jüngerin unlängst zu Protokoll, „dass wir uns bei der Frage nach Klimagerec­htigkeit auch mit dem Kapitalism­us, mit Konzernmac­ht und Regulierun­g beschäftig­en müssen. Menschen, die sich mit der Klimafrage beschäftig­en, stellen irgendwann auch die kapitalist­ische Wirtschaft­sweise infrage.“Nun ist es das gute Recht der jungen Frau, den Kapitalism­us, das Gesetz der Schwerkraf­t oder was auch immer infrage zu stellen. Das Recht, völligen Unsinn von sich zu geben, ist ein hohes Gut, ganz unabhängig von der Provenienz des Unsinns.

Gerade was die freie Marktwirts­chaft betrifft, ist das Formuliere­n ökonomisch­er Flatulenze­n ja derzeit in diesem Milieu schwer en vogue. Sogar unter den österreich­ischen Grünen, die demnächst wohl mit dem Kapitalism­usverstehe­r Sebastian Kurz, unter Ökos bisher eher als Speichelle­cker von Kapitalism­us, Konzernmac­ht und kapitalist­ischer Wirtschaft­sweise geläufig, das Land regieren werden, weht gelegentli­ch dieser Geist. „Vielleicht sollte man doch darüber nachdenken, derartig große Vermögen über einem gewissen Freibetrag zu vergemeins­chaften“, hatte etwa kurz vor den letzten Wahlen im Kontext der Parteispen­den der Milliardär­in Heidi Horten der grüne Tiroler Landtagsab­geordnete Michael Mingler einen auf Kevin „Lasst uns BMW verstaatli­chen“Kühnert in der berglerisc­hen Variante gemacht.

Vielleicht wäre es ja an der Zeit, den jungen Damen und Herren, die da behände den Kapitalism­us liquidiere­n wollen, mit einer Frage zu behelligen, die sie bisher nicht eben rasend beschäftig­t haben dürfte: jener nämlich, woher das ganze schöne Geld eigentlich kommt, mit dem nun der Klimawande­l bekämpft werden soll, mit dem grüne Landtagsab­geordnete bezahlt werden oder, ganz allgemein, der Staat seine vielfältig­en Ausgaben bestreitet.

Und nun, geschätzte Klimaaktiv­isten, Enteigner und Kapitalism­usüberwind­er, eine Triggerwar­nung, das wird jetzt ganz hart. Das viele schöne Geld kommt nämlich aus einer einzigen Quelle: Es wird von Unternehme­rn und deren Angestellt­en erwirtscha­ftet und ihnen zu einem erhebliche­n Teil vom Staat abgenommen. Sonst von genau niemandem. Das, und das ganz allein, ist die Quelle unseres Wohlstande­s. Jeder müde Euro, den der Staat für was auch immer ausgibt, muss vorher von diesen Unternehme­rn und ihren Mitarbeite­rn verdient werden.

(Die einzige andere Quelle, die der Staat hat, sind Schulden. Und diese sind nichts anderes als jene Steuern, die Unternehme­r und Angestellt­e in Zukunft verdienen müssen, damit sie jetzt verschmaus­t werden können.) Es kommt aber noch schlimmer. Denn die einzige der Menschheit bekannte Organisati­onsform, die es den Unternehme­rn ermöglicht, jenes Geld zu verdienen, das der Staat ausgibt, nennt sich nämlich, huch, „kapitalist­ische Wirtschaft­sweise“.

Eine andere Weise, das für den Betrieb des Staates nötige Geld zu beschaffen, gibt es nicht. Genauso wenig übrigens wie einen „Safe Space“, in den sich all jene jungen Damen und Herren flüchten könnten, denen dieses Faktum Unwohlsein, emotionale­n Stress oder gar eine Traumatisi­erung zufügen könnte.

Dass junge Menschen mit den einfachste­n ökonomisch­en Zusammenhä­ngen heillos überforder­t sind, kann man ihnen freilich nur sehr bedingt vorwerfen. Sie sind diesbezügl­ich viel eher Resultat einer Gesellscha­ft, die nicht nur in der Schule, sondern auch in der Politik, den Medien, der Kultur und nahezu allen anderen Aspekten des öffentlich­en Lebens das Faktum, dass ausschließ­lich Unternehme­r und deren Mitarbeite­r materielle­n Wohlstand schaffen und sonst niemand, unter einer Decke des Schweigens verborgen hat.

Mit großem Erfolg, wie sich jetzt zeigt.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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