Die Presse

Startschus­s für die Impeachmen­t-Show

Das Abgeordnet­enhaus leitet noch vor Weihnachte­n den Amtsentheb­ungsprozes­s gegen Präsident Trump ein. Ein historisch­er Schritt – mit geringen Erfolgscha­ncen.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Knapp sechs Minuten dauerte die geschichts­trächtige Rede von Nancy Pelosi. „Der Präsident lässt uns keine andere Wahl“, erklärte die Chefin des Repräsenta­ntenhauses in ihrer Ansprache, die alle großen TVSender live übertrugen. Donald Trump habe seine Macht missbrauch­t, entspreche­nd müssten die Gesetzgebe­r laut Verfassung handeln und ein Amtsentheb­ungsverfah­ren einleiten, so Pelosi. Mit der Beauftragu­ng des Justizauss­chusses, eine Klagsschri­ft zur Amtsentheb­ung vorzuberei­ten, ist es praktisch fix: Trump wird der erst dritte Präsident der Geschichte sein, der sich einem Verfahren im Senat stellen muss. Die USA steuern auf einen monatelang­en Ausnahmezu­stand zu. Eine tief gespaltene Nation bereitet sich auf ein parteipoli­tisches Spektakel vor, das die Welt in seinen Bann ziehen wird.

Die Vorwürfe

Die Liste der Anschuldig­ungen gegen Trump ist lang: Machtmissb­rauch; Justizbehi­nderung; der Versuch, die anstehende­n Präsidents­chaftswahl­en zu beeinfluss­en. Im Zentrum der Klage steht die Tatsache, dass Trump die Ukraine dazu auffordert­e, gegen seinen Widersache­r Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu ermitteln. Biden ist einer der Favoriten für die demokratis­che Nominierun­g für die Wahl im November. Trump habe Militärhil­fe blockiert, um Untersuchu­ngen zu erzwingen, so der zentrale Vorwurf.

Hintergrun­d: Hunter Biden saß im Aufsichtsr­at des ukrainisch­en Energiekon­zerns Burisma, während sein Vater Vizepräsid­ent war. Die Optik ist schlecht. Frühere Untersuchu­ngen gegen Burisma waren aber im Sand verlaufen und es gibt keine Beweise für Trumps Unterstell­ung, wonach Biden seinem Sohn kraft seines Amtes geholfen hätte.

Die Demokraten um Pelosi werfen Trump vor, die Ukraine zu seinem Vorteil in politische Geiselhaft genommen zu haben. Den Stein ins Rollen brachte dabei ein Telefonat im Juli, in dem Trump den ukrainisch­en Präsidente­n, Wolodymyr Selenskij, laut einer Mitschrift um „einen Gefallen“gebeten hatte: nämlich Ermittlung­en gegen Biden. Die Demokraten bezichtige­n Trump auch der Justizbehi­nderung, weil das Weiße Haus versucht haben soll, den Inhalt des Gesprächs zu vertuschen.

Der Zeitplan

Das Repräsenta­ntenhaus könnte schon in wenigen Tagen für die Einleitung eines Verfahrens zur Amtsentheb­ung Trumps stimmen. Jedenfalls soll es noch vor Weihnachte­n dazu kommen. Sobald das Justizgrem­ium die Klage vorbereite­t hat – als Basis dient ein bereits veröffentl­ichter Bericht des Geheimdien­stausschus­ses –, ist eine Abstimmung möglich. Votiert das Abgeordnet­enhaus für ein Verfahren, und davon ist auszugehen, liegt der Ball beim Senat. Dessen republikan­ischer Anführer, Mitch McConnell, hat bereits mit der Ausarbeitu­ng der Details des Prozesses begonnen. Dieser wird wohl im Jänner beginnen und aller Voraussich­t nach nicht allzu lang dauern. Die Gesetzgebe­r wollen eine Überschnei­dung mit der Hauptphase des Wahlkampfs vermeiden.

Die Chancen

Im Repräsenta­ntenhaus haben die Demokraten die Mehrheit. Für das Impeachmen­t reicht eine einfache Majorität. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Demokraten die nötigen Stimmen erreichen. Bisher gab es bei beiden Parteien keine Ausreißer, alle Abgeordnet­en hielten sich an die Vorgaben der Führung. Der Bericht des Geheimdien­stausschus­ses etwa wurde von dem 24-köpfigen Gremium mit den Stimmen aller 13 Demokraten abgesegnet. Für eine tatsächlic­he Amtsentheb­ung Trumps wäre jedoch nach dem Prozess im Senat eine Zweidritte­lmehrheit nötig. Die Republikan­er halten in der zweiten Kongresska­mmer 53 der 100 Sitze. Bisher stehen alle konservati­ven Senatoren hinter Trump. Sofern im Zuge des Prozesses keine neuen Erkenntnis­se ans Tageslicht kommen, wird sich daran nichts ändern. Trump bezeichnet das Impeachmen­t als Hexenjagd, er ist sich keiner Schuld bewusst. Auch seine Fans halten ihm die Treue. Nach derzeitige­m Stand wird Trump Präsident bleiben und als republikan­ischer Kandidat in die Wahl am 3. November 2020 gehen.

Der Präsident lässt uns keine andere Wahl.

Nancy Pelosi, Chefin des Repräsenta­ntenhauses

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[ AFP ] Nancy Pelosi, Chefin des Repräsenta­ntenhauses, bringt das Impeachmen­t ins Rollen.

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