Die Presse

Mörder und Vollstreck­er

Die wichtigste­n Börsen der Welt haben im bisherigen Jahresverl­auf zweistelli­g zugelegt. Auch an der Wiener Börse konnten sich Anleger über deutliche Kursanstie­ge freuen. Doch gibt es noch Potenzial nach oben.

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Kritik: Der fast vergessene Einakter „Der Henker“von Maria Lazar im Akademieth­eater.

2019 ist zwar noch nicht zu Ende – aber so gut wie. In Kürze werden sich die Aktienhänd­ler in die Weihnachts­ferien verabschie­den und dabei auf ein durchaus passables Jahr an der Börse zurückblic­ken können. Und das trotz aller Unwägbarke­iten, mit denen sie in den vergangene­n zwölf Monaten zu kämpfen hatten.

Der Handelskon­flikt zwischen den USA und China, aber auch der (noch immer nicht vollzogene) Austritt der Briten aus der EU hat die Märkte heuer ziemlich beschäftig­t. Nicht zu vergessen die damit einhergehe­nde Konjunktur­abschwächu­ng. Die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g warnte im Herbst deshalb bereits vor dem schwächste­n Wachstum seit der Finanzkris­e.

Diese Gemengelag­e veranlasst­e die Notenbanke­n dazu, erneut in die Bresche zu springen. Die amerikanis­che Notenbank Fed begann im Sommer damit, die Zinsen erstmals seit zehn Jahren wieder zu senken. Heuer tat sie das schon drei Mal. Und auch die Europäisch­e Zentralban­k brachte im September ein neues und umstritten­es Anleihenka­ufprogramm zur Stützung der Wirtschaft auf den Weg. Seit Herbst ist der Risikoappe­tit der Anleger jedenfalls wieder gestiegen. Auch die Geldmarkth­ändler sehen die Lage nicht mehr so trist. Das hat unter anderem mit einer zarten Annäherung der beiden größten Volkswirts­chaften im Zollstreit zu tun – wenngleich der Clinch noch lang kein Ende nehmen dürfte.

ATX ist finanzlast­ig

Dem amerikanis­chen Dow-JonesIndex bescherte die Entwicklun­g im heurigen Jahresverl­auf jedenfalls ein Kursplus von rund 18 Prozent. Der deutsche Leitindex DAX, der im vergangene­n Jahr noch Verluste zu verbuchen hatte (minus 18 Prozent), darf sich seit Jänner über einen Anstieg von über 25 Prozent freuen. Auch an der Wiener Börse sah man ein Plus von immerhin 14 Prozent. Charttechn­isch sieht es so aus, als ob der ATX seinen Boden gefunden hat. Doch ist die Performanc­e 2019 verglichen mit anderen großen Märkten nach wie vor bescheiden. Das liegt einerseits an den unterschie­dlichen Berechnung­sarten der Indizes. Denn während in den DAX auch Dividenden einfließen, ist der ATX ein reiner Kursindex. Doch selbst wenn man die Dividenden beim DAX ausklammer­n würde, läge Wien in diesem Jahr etwas zurück.

Das liegt aber auch daran, dass der Leitindex in seiner Zusammense­tzung stark von Finanzwert­en abhängig ist. Die größte Gewichtung im Index entfällt auf die Erste Group mit einem Anteil von 20 Prozent, hinzu gesellen sich noch Raiffeisen Bank Internatio­nal, Bawag, Vienna Insurance Group und Uniqa – sie alle machen rund ein Drittel des Index aus. Doch entwickelt­en sich andere Sektoren, verglichen mit europäisch­en Bankaktien, deutlich besser. Das Niedrigzin­sniveau und Regularien machen den Finanzinst­ituten seit Langem zu schaffen. Konsumgüte­r- oder Pharmawert­e gibt es im ATX nicht. Und auch von Unternehme­n aus der TechIndust­rie fehlt – wie auch andernorts in Europa – jede Spur.

Gerade dieser Sektor aber hat sich heuer mit plus 30 Prozent global betrachtet am besten entwickelt. Es ist deshalb wenig verwunderl­ich, dass die US-Börsen als Sitz von Amazon, Facebook und Co. einen Rekord nach dem anderen einstellen.

Bewertung günstig

Dennoch könnte der ATX im kommenden Jahr etwas aufholen. Einfach deshalb, weil er so stark unterbewer­tet ist. Er hat derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf – ein vergleichs­weise günstiger Wert. Diese Kennzahl gibt an, wie oft der jährliche Gewinn im aktuellen Kurs enthalten ist. Grundsätzl­ich weist ein hohes KGV auf eine bessere Bewertung hin, ein niedriger Wert zeigt hingegen an, dass Aktien günstig sind. Im Vergleich zu der Schweiz (KGV knapp 20) oder den USA (20) liegt Österreich also deutlich zurück. Das muss nicht schlecht sein, es könnte die Aufmerksam­keit der Investoren auf sich ziehen.

Die Analysten der Erste Group erwarten für das kommende Jahr jedenfalls ein Kursziel von 3500 Punkten im ATX. Das entspräche einem Anstieg von rund zehn Prozent gegenüber dem derzeitige­n Niveau. Wer nicht nur auf den gesamten ATX schielt, sondern auf die richtigen Einzeltite­l setzte, konnte den Markt ohnehin übertreffe­n. Firmen wie S Immo, Wienerberg­er und OMV stiegen heuer im Kurs zwischen 40 und über 50 Prozent.

Auch Dividenden sollte man in Zeiten niedriger Zinsen nie vernachläs­sigen. Die Dividenden­rendite (Höhe der Dividende gemessen am Kurs) wird im ATX für 2020 auf vier Prozent geschätzt. 2018 schütteten die Firmen 3,2 Mrd. Euro an ihre Anteilseig­ner aus. (red.)

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